Magnet-Angeln – ein gefährliches Hobby

Die Zeitungen sind in den vergangenen Wochen immer wieder voll mit Berichten rund um das so genannte Magnet-Angeln. Dabei wird ein starker Magnet mittels eines Seils durch Flüsse oder andere Gewässer gezogen, in der Hoffnung einen „Schatz“ an selbiges zu haken. Die Suche mit dem Magneten bedarf in NRW der Erlaubnis nach Paragraph 13 des Denkmal-Schutzgesetz, auch in nahezu allen anderen Bundesländern bedarf es einer entsprechenden Erlaubnis. Das jedoch ist die kleinere Hürde…

Immer häufiger kommt es vor, dass man auf zum Teil nicht unerheblich große Mengen Metallschrott trifft, die an Ufern von Flüssen oder Seen zurückgelassen wurden und anzeigen, dass dort ein Magnet-Angler unterwegs war; das sind die schwarzen Schafe in dieser Hobby-Sparte. Andere sammeln lobenswerter Weise und konsequent ihren geborgenen Müll ein… Man muss aber auch die erwähnen, welche Dinge bergen und sich aneignen, die man besser nicht mit Heim nehmen würde. Das können Waffen und / oder Munition sein. Eine Waffe, auch wenn sie noch so sehr vergammelt ist, unterliegt immer noch dem deutschen Waffengesetz und der Finder kann sich hier unbedacht strafbar machen. Findet man ein Gewehr oder eine Pistole, auch bereits Waffenteile wie z.B. der Verschluss oder ein MG-Lauf, können in strafrechtliche Gefilde führen, ist man dazu verpflichtet, diese bei der Polizei anzuzeigen. Unterlässt man das, so macht man sich überdies strafbar! Bei Waffen- und Munitionsfunden gilt: Sofortiges Melden des Fundes, ohne diesen selbst zur Polizei zu transportieren um ihn dort abzugeben – in dem Moment wo eine Fundwaffe zur Behörde verbracht wird, übt man die tatsächliche Gewalt darüber aus, was ebenfalls rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Ganz besonders eigen ist es, wenn es sich um entsorgte Kampfmittel aus den letzten Weltkriegen handelt.

Die Polizei und Kampfmittelräumdienste warnen nicht umsonst: Das Hobby ist lebensgefährlich, weil neben Fahrrädern, entsorgtes Raubgut oder einfach Unrat auch immer wieder Munition aus dem Wasser gefischt wird.

Dabei freuen sich die Mitarbeiter der Kampfmittelräumdienste ganz besonders wenn z.B. eine 8,8cm Panzergranate vom Magneten gelöst werden darf, sofern der Mitarbeiter das machen würde… Das Zauberwort nennt sich Bodenzünder 5127.

Nur mal zum drüber nachdenken: besagte Panzergranaten besitzen einen Bodenzünder, der mit einem vorgespannten Schlagbolzen versehen ist. Die Sicherungseinrichtungen des Zündsystems sind filigraner Bauart und über die Jahre zum einen mechanischen-, zum anderen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Dazu kommt, dass niemand weiß was die Granate in ihrer Geschichte bereits „durchgemacht“ hat. Ein Blindgänger z.B. ist grundsätzlich brandgefährlich, aber nicht weniger gefährlich ist die 1945 „entsorgte“ Granate. Die damals eingebrachten Sicherungen versagen. Zündergehäuse bestehen oft aus diversen Alu-Zink-Legierungen, die äußerlich total verrottet sind und dadurch sämtliche Sicherungen aushebeln. Das große Problem: Entweder wurden die Sicherungen durch Abschuss der Munition ausgehebelt oder aber sie sind verrottet, doch hat beides KEINEN EINFLUSS auf die Zündfähigkeit der Sprengkörper.

Weder TNT noch andere Sprengstoffe verrotten, sie erhalten auf Dauer ihre Sprengfähigkeit, die durch Witterungseinflüsse noch zunehmen kann. Sprengstoffe auf Basis von Pikrinsäure bilde da ein besonderes Kapitel. Hier können sich kristalline Strukturen bilden, die auf die kleinste Berührung „etwas aufgebracht“ reagieren und den „Finder zu töte ärgern“! Zurück zur eingangs erwähnten berühmten 8,8cm Munition, die nicht nur damals berühmt war, sondern auch heute noch in rauen Mengen zu finden ist.

Wenn der Kampfmittelräumdienst sich mit einer 8,8cm Panzergranate bzw. zahlreichen anderen Arten diverser Kampfmittel konfrontiert sieht, gibt oft es nur einen Weg, der sich „Gefahrenabwehr durch Sprengen“ nennt! Ach, und nur mal so ganz nebenbei haben die Kampfmittelräumdienste es immer wieder mit Munition zu tun, die BERÜHRUNGSFREI gesprengt werden muss!

Das Magnet-Angeln ist ein gefährliches Hobby, da der Angler nicht im Geringsten die Gefahren einschätzen kann, die durch ein Munitionsteil ausgelöst werden, welches unsanft und ruppig Meter für Meter über den Flussboden gezerrt wird. Dabei besitzen viele der verwendeten Magnete bereits eine Anziehungskraft, die stark genug sein kann, eine Zündnadel in Bewegung zu versetzen. Bei der Zündnadel handelt es sich um das Bauteil, welches die Zündkette in Gang setzt, die in einem Bruchteil einer Sekunde eine Sprengung auslöst.

Abschließend sollte man sich auch einmal darüber Gedanken machen, dass kaum irgendwelche wertvollen Schätze außerhalb der Militariasuche auf Magnete ansprechen, aber dafür so ziemlich sicher jede Granate. Aber die haben ja alle Sicherungen, also, hatten sie, damals vor mehr als 75 Jahren…

Welche immens hohe Gefahr durch Kampfmittel ausgeht, schildert der nachfolgend verlinkte Beitrag. Hier hantierte ausgebildetes Personal mit einer Artilleriegranate, die, ohne selbst mit einem Zünder versehen zu sein, während des Transportes zur Detonation gelangte und tötete dabei zwei Männer, zwei weitere wurden verletzt: Explosion durch Granate aus dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst (wort.lu)

Ein durch den Kampfmittelräumdienst gesicherter Bodenfund – in dem Fall der Blindgänger einer Sprenggranate mit einem völlig vergammelten Zünder.

Vergrößerung des Zünders aus dem Bild zuvor – Im Zündergehäuse sind die Sicherungen untergebracht – Eins ist sicher: Hier ist nichts mehr sicher.

Ein Schlusswort: Munition und sämtliche Kampfmittel wurden hergestellt, um Menschen zu töten oder ihnen schwere Verletzungen zuzufügen. Dieses tödliche Potential hat in keiner Weise abgenommen. Selbst ein Kampfmittel, das mehr als 75 Jahre im Dreck gelegen hat, ist auch heute noch dazu in der Lage Menschen zu töten, wird das Kampfmittel unsachgemäß gehandhabt, so tut es das auch!

Eine Senfgas-Granate aus dem Ersten Weltkrieg führte einem belgischen Magnet-Angler schwere Verletzungen zu. Foto: Belgian EOD School, Facebook.

Verletzungen an den Händen durch ausgetretenen Kampfstoff. Foto: Belgian EOD School, Facebook.


Während ich den obigen Text verfasste, wurde ich nach einer Alternative zum Magnet-Angeln gefragt: 

Nur einige Alternativen wären: Man könnte es mit Joggen versuchen? Schützenvereine suchen Nachwuchs, Wandern ist ein tolles Hobby bei dem man Natur und Faune kennenlernen kann. Es gibt so viele Alternativen, die aufzuzählen dazu führen, das ich die nächsten drei Tage hier am Tippen wäre.  
 
Die Frage ist doch: Muss es unbedingt ein Hobby sein, von dem Profis und Fachleute der Branche unbedingt abraten? Ein Hobby, das so ein großes tödliches Potential bietet?
 
Ein Granatsplitter kann auf 50 Meter Entfernung noch bis 10 cm starke Eichenbretter durchschlagen. Wenn es tatsächlich Bumm macht, der Magnet-Angler durch ein Wunder unverletzt überlebt, aber das 50 Meter entfernt spielende Kind durch Granatsplitter zerrissen wird, steht die Frage sicher nicht mehr im Raum.  
 
Ich darf an dieser Stelle auch einmal auf meine Exkursionen hinweisen. Während dieser Wanderungen geht es immer wieder auch um die Gefahren von Kampfmitteln und hierbei natürlich besonders um Fundmunition. Auch die Kategorie Kampfmittel beschäftigt sich eingehend mit dieser Thematik.

Links zum Artikel:

Magnetangeln ist genehmigungspflichtig: Das fast verbotene Hobby – Stadt Olpe (siegener-zeitung.de)

Scheuerfeld-Wallmenroth: Magnet-Angler fischen Panzer-Sprenggranate aus Sieg | AK-Kurier.de

Hamburg Winterhude: Beim Magnetangeln: Kinder ziehen Handgranate aus der Alster | shz.de

Gefährliches Hobby: Umweltbehörde warnt vor Magnetangeln | Kölner Stadt-Anzeiger (ksta.de)

Phosphorgranate explodiert (wochenspiegellive.de)


Link zur Belgischen EOD School  – EOD = Explosive Ordnance Disposal (Kampfmittelbeseitigung) 

Belgian EOD School | Facebook

 

Ralf Anton Schäfer