Die WASt-Auskunft – Teil 2 – Erinnerungen vs. Faktenlage

Eine Anleitung für die erfolgreiche Recherche zur Kriegsgeschichte eines Familienangehörigen.

Wer einen Familienangehörigen hat, der als Soldat seinen Anteil am Zweiten Weltkrieg hatte, der steht oft vor der Frage, welche Rolle spielte mein Angehöriger damals? Wer nicht zu Lebenszeiten das Glück gehabt hat, vom Betreffenden Antworten auf folgende Fragen zu erhalten, wird sich heute mit großer Ungewissheit rumschlagen:

Wo ist er gewesen?

Was hat er erlebt?

Was hat er durchgemacht?

Ich möchte versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und einige Wege einer erfolgreichen Recherche aufzuzeigen. Denn in den meisten Fällen kann man wenigstens zu den grundlegenden Fragen, die benötigte Antwort beisteuern.

Hierfür werde ich zunächst den Werdegang meines Vaters ein wenig beleuchten. 

Mein Vater Anton Schäfer 1926-2013

Mein Vater wurde am 17.3.1926 im hessischen Obertiefenbach geboren, wo er bis 1943 der familiären Landwirtschaft nachgegangen ist. Er hatte drei Brüder, von denen zwei ebenfalls Soldat wurden und in den Krieg zogen – Hermann diente seit Ende 1940 in der Wehrmacht, Georg seit 1942. Der Zweite Weltkrieg führte den Bruder Hermann zunächst an die Westfront, dann über Finnland an die Ostfront. Georg wurde 1942 zur Wehrmacht einberufen, war im Sommer 1943 im Mittelabschnitt der Ostfront eingesetzt. Etwa zur gleichen Zeit, zu der der Bruder Georg an der Front eintraf, wurde auch mein Vater im vierten Kriegsjahr zum Dienst an der Waffe einberufen. Als letzter zog er in die Ferne, kam auch als letzter wieder Heim, und zwar im Sommer 1947. Einige Stationen seines Krieges waren:

          * Grundausbildung in München

          * Verlegung nach Nordfrankreich zu

          * der Neuaufstellung einer Panzergrenadier-Division.

          * Alliierte Landung in der Normandie im Juni 1944

          * Kampfhandlungen gegen diese Landungsoperation, bis er am 18.08.1944 in alliierte Gefangenschaft gerät, die ihn für die Dauer von fast drei Jahre in die USA  führen wird.

Obwohl er den Großteil seines Lebens NIE über die eigenen Kriegserlebnisse sprechen wollte, machte er trotzdem kein Geheimnis daraus, das er Soldat gewesen und 1944 in der Normandie in alliierte Kriegsgefangenschaft geraten war. Das war fast sämtliches Wissen, an dem er die eigene Familie und auch Außenstehende über viele Jahrzehnte hinweg teilhaben ließ. Natürlich haben wir oft versucht ihn zu befragen, auszuhorchen; aber erzählt hat er trotzdem kaum. Ließ man keine Wahl und drängte ihn dazu, konnte das seine Laune für den Rest des Tages verderben. Allerdings ließ er uns manchmal für einen kurzen Moment teilhaben an einer schrecklichen Erinnerung. In knappen Worten zusammengefasst, die dann begann mit:

“Du willst was wissen vom Krieg? Das hier war der Krieg! … wir lagen in einem kleinen Dorf, mit den Panzern (Sturmgeschütze sind gemeint) zur Sicherung. Die Leute standen um uns herum, dabei war eine junge Frau, die ein Kind auf dem Arm trug, als wir abfuhren, bettelte sie, wir sollten die Kleine mitnehmen. Das ging aber nicht! Nach ein paar Kilometer sahen wir wie das Dorf durch einen Luftangriff zerstört wurde.

Am Nachmittag wurde Vaters Einheit ein Gegenangriff befohlen, wozu sie erneut das Dorf passieren mussten. Durch eine rauchende Trümmerwüste rollten ihre Fahrzeuge, bis sie die kurz zuvor verlassene Kreuzung erreichten, die es zu sichern galt. Der Bereich war durch die Bomben verheerend getroffen. Fast alle waren tot, die junge Frau fürchterlich entstellt und die kleine Tochter im Alter von vielleicht 5 Jahren, weinte und zerrte am Körper der Mutter, wollte das sie aufsteht. 

Das dürfte so ziemlich die einzige Erinnerung sein, welche mein Vater auf Drängen und Drängeln über viele Jahre, wenn überhaupt, erzählt hatte. Durch ein Kriegstagebuch seiner Division erfuhr ich genauen Ort, Zeitpunkt, Namen und viele andere Details: Tatsächlich hatte die Panzerjägerabteilung (zuvor Sturmgeschütz-Abteilung 17) meines Vaters am frühen Morgen des 30. Juni 1944 eine Sperrstellung zwischen Nay und Carentan bezogen. Alliierte Panzer- und Infanterie wurde aus Richtung Baupte erwartet. Alles war in heller Aufregung, zahlreiche Zivilisten hielten sich um die Sturmgeschütze herum auf. Während Stellungen für die Begleitinfanterie angelegt wurden, versuchte man die Zivilisten zu vertreiben. Wenige Minuten nach 9.00 Uhr ging dann ein Funkspruch ein, wonach sofort sämtliche deutsche Truppen den Ort verlassen mussten. Ein alliiertes Bombergeschwader war unterwegs und durch das Abhören des gegnerischen Funkverkehrs auf ihrem Weg entdeckt worden. Die Einwohner wurden informiert, die Einheit zog ab, so schnell es ging. Unmittelbar nachdem der Stellungswechsel vollzogen war, ging das Dorf in einem Bombenhagel alliierter Flugzeuge unter. Am Nachmittag wurde den Panzerjägern ein Gegenangriff befohlen, wo sie erneut durch das Dorf fahren mussten, Auch die Mutter und das Kind, ein Mädchen von 5 Jahren, fanden in dem Bericht des Kriegstagebuches Erwähnung…

Bombenteppich auf eine kleine französische Ortschaft in der Normandie. Foto: ohne Sign., Air-Corps, US-AF, NARA

Ich habe meinen Vater oft zu seinen Erinnerungen und dessen Erlebnissen befragt, aber Antworten erhielt ich erst nachdem ich 1999 mein erstes Buch veröffentlich hatte. Mein Vater hatte erkannt, das ich mich ernsthaft mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzte. In den 14 nachfolgenden Jahren habe ich viele lange Gespräche mit ihm geführt. Habe diverse Kriegstagebücher (die amtlichen noch erhaltenen Aufzeichnungen des Truppenverbandes) besorgt und gemeinsam mit ihm zusammen durchgearbeitet. Wie “unternahmen” sehr viele Ausflüge in seine Geschichte der Jahre 1943 bis 1947, wobei er mich an seinen Erinnerungen teilhaben ließ. 54 Jahre Jahre nach dem er in alliierte Gefangenschaft geraten war. 55 Jahre nach dem Kriegsende. Mein Vater hatte endlich angefangen, seine eigenen Kriegserlebnisse zu verarbeiten, Fronterlebnisse eines 17 Jährigen, eine Zeit, die grausamer nicht sein konnte. Von meiner Mutter erfuhr ich: “Plötzlich werden die Alpträume weniger, Nächte ruhiger!”

Manch einer wird jetzt vielleicht denken: 14 Jahre? Da kann eine große Menge erzählt werden! Die Antwort lautet: all die Gespräche habe nur einen Bruchteil seiner Erinnerungen hervorgebracht.

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Zitate von damals 17-Jährigen Soldaten

„…ehe dich umschaust, biste Soldat!“ A.S.

„Am Anfang war das doch nur ein Abenteuer!“ A.S.

„Das Leben war zwar manchmal anstrengend, hat aber doch irgendwie auch viel Spaß gemacht, man trug Verantwortung, kam raus in die Ferne!“

„Und plötzlich warst du „WER“, hattest Aufgaben zu erfüllen und bekamst tolles Gerät anvertraut!“

„Auf einmal war alles anders, Du hattest zwar strenge Regeln und Pflichten, aber es war eine Herausforderung, der man sich stellte!“

„Nach einem Luftangriff halfen wir einem französischen Landwirt dabei, dessen Kuh wieder einzufangen. Aber die Kuh stand mitten in einem von uns angelegten Minenfeld! Passiert ist zum Glück nichts!“ A.S.

„Es war zwar Krieg, Altgediente berichteten darüber, was oft die spannendsten Geschichten waren. Aber trotzdem war der Krieg kein Teil von uns, außer Luftangriffen spürte man nichts davon.“ A.S.

„Nachdem wir an diesem Tag die ersten Schiffe draußen auf der See sahen, musste ich grinsen, ja sogar lachen. Es war irgendwie Spaßig, zu wissen, dass es nun endlich losgehen würde!“

Bild2 - ein blutjunger Soldat der Waffen-SS, vermutlich Angehöriger der 12. SS.Div. "Hitlerjugend"

Bild2 – ein blutjunger Soldat der Waffen-SS, vermutlich Angehöriger der 12. SS.Div. “Hitlerjugend”

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Aus den Erzählungen meines Vaters war bekannt:

  • Das er Eingezogen im Frühjahr 1943 zur Grundausbildung nach München einrücken musst. Bereits nach kurzer Zeit erfolgte ein Apell, bei dem ein Offizier herausfinden wollte, wer unter den Rekruten dazu in der Lage war, eine landwirtschaftliche Maschine zu bedienen.
    Als Landwirt war meinem Vater natürlich das Traktorfahren nicht fremd, was dazu führte, dass er gemeinsam mit einigen anderen jungen Burschen vortrat. Er und diese Kameraden wurden zu Panzerfahrern ausgebildet.
  • Nach Beendigung der Grundausbildung wurde über Verdun an die französische Normandieküste verlegt. Der Transport wurde in Verdun unterbrochen, wo ein Manöver durchgeführt wurde. Danach ging es weiter nach Nordfrankreich, wo sich die 17. SS-Panzergrenadier Division in der Aufstellung befand.
  • Nach einigen Monaten der Verbandsausbildung kam es zur feierlichen Verleihung des Ärmelbandes „Götz von Berlichingen“ – dem Namensgeber der Division. Im März feierte mein Vater seinen 17. Geburtstag. Drei Monate später sollte die „Angelegenheit zu bitterbösen Ernst“ werden.

Als die Landungsschiffe sich der französischen Küste näherten, sprach ein Kamerad meines Vaters: “Anton, lass die Amis mal kommen, die hauen wir aufs Meer zurück!” Es folgten dann die schweren Kämpfe gegen amerikanische und britische Verbände. Einige der nächsten Stationen waren die blutigen Schlachten bei St.Mere-Eglise, Carentan, St. Ló, Caen. Während er die meiste Zeit “sicher” im Sturmgeschütz (Fahrender Sarg, wie er das Ding immer nannte) der Panzerjägerabteilung verbracht hatte und an die Brennpunkte der Front verschoben wurde, war das Fahrzeug in der ersten Augustwoche durch Sherman-Treffer in die Kette ausgeschaltet worden. Mehrere Versuche, die Kette zu reparieren, mussten unter feindlichem Beschuss eingestellt und das Sturmgeschütz aufgegeben werden. Da die Panzerjägerabteilung nahezu zerschlagen war, wurde er fortan als Grenadier eingesetzt.

Auszug aus einer Meldung vom 11.7.1944 an die Division. Während dessen wurde die 1. Kp. mit 2 Sturmgeschützen im Rahmen des 6. Fallschirm-Jäger-Regt. eingesetzt.

Trotzdem gelang es meinen Vater mehr oder weniger unbeschadet, aus 5. Kesselschlachten herausgekommen, geriet allerdings schließlich in den “(Hexen)-Kessel” von Falaise, wo er am 18. August 1944 verwundet in alliierte Gefangenschaft geraten ist. Nachdem er sich am frühen Morgen bereits einige Granatsplitter eingefangen hatte, kam es Nachmittags zu einer direkten Kampfhandlung, an dem amerikanische, britische und deutsche Soldaten beteiligt waren. Nach einem heftigen Schusswechsel war alles vorbei. Zahlreiche Soldaten beider Seiten waren gefallen oder verwundet. Mein Vater wurde während dieser Schießerei ebenfalls verwundet und geriet in Gefangenschaft, die ihn zunächst nach England und im Anschluss in die Vereinigten Staaten führte, aus welcher er 1947 entlassen wurde.

In Gefangenschaft geratene junge Soldaten der 12. SS-Pz.Div.. Foto Signal Corps, US-Army, NARA, Washington

74 Tage ununterbrochener Gefechte

74 Tagen ununterbrochener Kampfhandlungen, während derer er drei Mal verwundet worden ist. Mitte Juni 1944 beherrschten die Alliierten den Raum Carentan mit lebhaftem Artl.Störungsfeuer und zogen Panzer für einen Angriff bei Periers zusammen. Zur gleichen Zeit sollte sich Vaters Abteilung in Bereitstellung begeben für einen selbst angesetzten Gegenstoß. Carentan wurde zu einem international bekannten Schauplatz einer ganzen Abfolge schwerster Kampfhandlungen zwischen der Wehrmacht und den Amerikanern, der 101. US-Luftlandedivision. Auf deutscher Seite war das Fallschirmjägerregiment 6  und die 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“ hier eingesetzt. Die Schlacht um Carentan dauerte vom 8. bis zum 15. Juni 1944.

Nach schwersten Gefechten nutzte mein Vater am frühen Abend die Gelegenheit für einen Toilettengang. Er war gerade hinter einer dichten Hecke  verschwunden, als ihn etwas mit unheilvoller, schwerer Wucht am Stahlhelm traf. Umgeworfen und durch die Wucht des Aufpralls benommen, griff er nach seinem Helm und taumelte umher bis ihn seine Kameraden endlich zurück auf und in das Sturmgeschütz brachten. Er hatte sich eine stark blutende Kopfwunde im Bereich der rechten Schläfe zugezogen. Es wurde ein Verband angelegt, einige Tage danach war die Gelegenheit, einem Feldarzt die Verletzung vorzustellen. Mit den Worten “Das ist nichts! Nur ein Kratzer, damit können Sie weiter kämpfen!”, wurde ein neuer Verband angelegt und er kehrte zu seinen wartenden Kameraden zurück. Der Krieg hatte ihn wieder und die Kampfhandlungen sollten wenigstens für ihn noch bis zum 18. August 1944 andauern, bis erste Zeit zum Nachdenken kam. Fortan herrschte die große Angst vor der Ungewissheit, wie es weiter gehen und wo der weitere Lebensweg hinführen wird.

„…Leben! Ja, Leben tue ich noch! Aber die meisten meiner Kameraden, Freunde!, sind gefallen, verstümmelt, spurlos verschwunden…“

Erst viele Jahre nach Kriegsende erfuhr mein Vater im Krankenhaus in Kirchen, das er ein Souvenir besonderer Art besaß. Er hatte ein Kaliber.30-Geschoss im Schädel, verkapselt gleich hinter der Schläfe. Der behandelnde Arzt kam zu Vater und fragte vollkommen überrascht: “Herr Schäfer, waren Sie im Krieg!” Was mein Vater natürlich mit “Ja” beantwortete. Der Arzt informierte darauf hin meinen Vater: “Sie haben ein Projektil im Kopf!”


Die Erinnerungen


Für diese beiden Soldaten ist es endlich vorbei! Physisch und Psychisch am Ende.

Erzählungen

Aktenlage der WASt

  • Eingezogen im Frühjahr 1943 nach München. Dort kurze Grundausbildung und anschließende Ausbildung zum Panzerfahrer.
  • Die Musterung erfolgte am 28. Juni 1943 durch Wehrbezirkskommando Wetzlar. Während der Untersuchung wurden die Schilddrüse und schlechter Zustand der Zähne bemängelt. Dann Eingezogen zum Wehrdienst im November 1943. Zuvor musste das Gebiss „auf die Reihe gebracht“ werden. Dazu waren fünf Zähne zu ziehen.
  • über Verdun in die Normandie zur Aufstellung der 17. SS-Panzergrenadier-Div. abkommandiert, dort Verbandsausbildung mit anschließender Verleihung des Ärmelbandes „Götz von Berlichingen“
  • Mitte Februar 1944 Verlegung nach Verdun; dabei kurzer Aufenthalt mit Ausbildung auf dem „Truppenübungsplatz Verdun“.
  • Verlegung nach Thours in Westfrankreich. Zugang zur 17. SS-Panzergrenadier Division, die sich in zur Verbandausbildung befinden. Am 10. März 1944 feierliche Verleihung des Ärmelbandes.
  • Im März feierte mein Vater seinen 17. Geburtstag. Drei Monate später erfolgte die alliierte Landung an der Normandieküste. Es folgten schwere Kämpfe. Nach der fünften Kesselschlacht geriet er im Kessel von Falaise in alliierte Gefangenschaft, die ihn zunächst nach England und im Anschluss in die Vereinigten Staaten führten, aus welcher er erst 1947 entlassen wurde.
  • Ab März Ausbildung zum Panzerfahrer, zu dieser Zeit begeht er seinen 17. Geburtstag. Im Juni 1944 kommt es zu der alliierte Landung in der Normandie.
  • Hiernach folgt die Zeit der Kampfhandlungen bis zum 18. August 1944, dann nach Verwundung in Gefangenschaft.
Kampf um Cherbourg und der Fallschirmjäger in St. Mere-Eglise  Nachweislich war die Division nicht an den Kämpfen um Cherbourg oder St. Mere-Eglise beteiligt.

Wie kommt es zu diesen Unklarheiten?

Man muss besonders in Rechnung stellen, dass die eigene Erinnerung nachhaltig eintrübt. Jeder Mensch neigt dazu, erlebte Erinnerung und erfahrene Erinnerungen in seine eigene Historie zu übernehmen. Je öfters das geschieht und je länger der Zeitraum zurückliegt, um so mehr kann es sein, dass die eigenen Erinnerungen unter Umständen deutlich verfälscht werden.

Das geschieht durch Verdrängen der eigenen Vergangenheit, dem Lesen von Büchern zum Thema, Anschauen von z.B. Kriegsfilmen oder Dokumentationen.

Mein Vater war z.B. davon überzeugt, das er selbst an den schweren Kämpfen um Cherbourg teilgenommen habe und er war der festen Auffassung, den amerikanischen Fallschirmjäger am Kirchturm in St. Mere-Eglise persönlich hängen gesehen zu haben. Über die Vorgänge z.B. in der Nähe von Cherbourg schilderte er wiederholt eine Szene eines Vorbeimarsches deutscher Soldaten an einem See, in dem sich zwei Amerikaner durch Untertauchen versteckten. Zum anderen erzählte er, wie er mit eigenen Augen gesehen habe, wie der amerikanische Fallschirmjäger in St. Mere-Eglise am Glockenturm hing. Manch einem wird jetzt vielleicht ein Licht aufgehen: Cherbourg, die Amerikaner im See? Der Fallschirmjäger am Kirchturm?, beides sind Szenen aus dem Spielfilm “Der längste Tag” von 1962.

Diese Aufnahmen vermischt mit der eigenen Erinnerung können so real abgespeichert werden, das der Betroffene denkt, persönlich das Berichtete durchlebt zu haben. Dazu muss man eine falsche Erinnerung nur oft genug wiederholen, bis sie zum eigenen Teil der eigenen Geschichte wird. Während Vaters Erinnerungen im vorgaukelten, selbst in St. Mere-Eglise gewesen zu sein, lässt sich jedoch belegen, dass die Division zu dieser Zeit noch nicht einmal in Alarm befohlen worden war. Die Fallschirmjäger der amerikanischen 82. US-Div. waren am frühen Morgen des 6. Juni 1944 abgesprungen. Die (Teil-)Einheit von meinem Vater war allerdings etwas mehr als 50 Kilometer entfernt und bestaunte die sich am Horizon abzeichnenden Schiffe der Seearmada. Die eigentliche Division selbst befand sich nur knapp 275 Kilometer südlich, war zwar mit einem kleinen Teil dicht an der Küste in einem Manöver, aber die Masse musste erst heranrollen und kam über Laval – Fougéres – Avranches – Villedieu – Torigny in den Raum Balleroy. Die “Götz von Berlichingen” war nie in St. Mere Eglise, sie trennte noch wenigstens 75 Kilometer vom ersten Einsatzort in Balleroy.


Was begünstigt dieses ?

  1. Nach der Heimkehr aus der Gefangenschaft war keine Zeit um die extremen Erfahrungen verarbeiten zu können. Das Leben musste weitergehen, die Arbeit musste wieder aufgenommen werden. Noch 1947 mussten die Schäden des Krieges im eigenen Land beseitigt werden. Bei vielen ehemaligen Soldaten setzte so die Zeit des Verdrängens und des Vergessens ein.

  2. Zahlreich haben die damaligen Soldaten erst viele Jahre, oft Jahrzehnte, nach Kriegsende überhaupt erst damit begonnen, sich selbst mit der eigenen Geschichte zu befassen, weil deren Kinder wissen wollten, welche Rolle man im Krieg eingenommen hatte oder wegen Rentenansprüchen. Zu jener Zeit konnte die eigene Erinnerung allerdings bereits schon nachhaltig verändert haben und musste nicht mehr 100 % den Tatsachen entsprechen.


Das Wehrstammbuch und und Kriegstagebücher

Im Falle meines Vaters hatten wir das Glück, einen Großteil seiner Kriegsgeschichte anhand des Wehrstammbuches nachzuvollziehen. Dieses Wehrstammbuch wurde infolge der Anfrage bei der WASt zur Verfügung gestellt und im Anschluss ausgewertet.

Im Wehrstammbuch findet man in der Regel die umfangreichsten Informationen zur Laufbahn eines Soldaten. Hier wurden Kommandierungen, Versetzungen, Lehrgänge, Beförderungen etc. eingetragen.

Anhand dieser Unterlagen konnten die Erinnerungen meines Vaters konnten in langwieriger und mühevoller Kleinarbeit mit amtlichen Aufzeichnungen in Form von deutschen und amerikanischen Kriegstagebüchern, Auskünften der ehemaligen Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt), veröffentlichten Divisionsgeschichten und Informationen von Wilburn Penny, ehemals 3. US. Panzerdivision und Captain, US-Army, Willard Denise aus Florida abgeglichen werden.

Obwohl die Fronterlebnisse “nur” 74 Tage betrugen, konnten insgesamt etwa rund 1750 Seiten Aktenmaterial zu den Einsätzen seiner Division gesichtet werden.  Erst dadurch war es möglich die Geschehnisse tatsächlich nachzuverfolgen und immer wieder die persönlichen Erinnerungen meines Vater in den Vordergrund zu rufen.


 


Wenn Sie Unterstützung bei der Recherche zum Werdegang Ihres Angehörigen benötigen, wenden Sie sich bitte mit den Ihnen vorliegenden Informationen an mich und wir schauen, ob und wie weit ich Ihnen helfen kann. In kürze werde ich hierzu ein Formular bereitstellen, mit dem Sie sämtliche Informationen übermitteln können. Bis dahin bitte ich, mir die Anfrage via Email an info@das-kriegsende.de zuzusenden.


 

 

Ralf Anton Schäfer