Ein Augenblick aus dem Leben zweier Freunde

Kurt Schwerdt und Albert Schmidt

Im Buch über Kurt Schwerdt sein Leben, “Offizier, Bürgermeister und Europäer” wird ab Seite 74ff der Weg beschrieben, wie Kurt den Offiziersanwärterlehrgang in Döberitz absolvierte. Während diesem Lehrgang lernte er seinen Freund Albert kennen. Die beiden waren sich zunächst “nicht ganz grün”, wurden dann aber zu besten Freunden, Kameraden, wie Brüder!

Während meiner Recherchen zu einer anderen Angelegenheit ist mir heute die Personalakte von Albert Schmidt in die Hände gefallen. In der Akte finden sich neben Aufzeichnungen über den Werdegang und Stellenbesetzungen auch die Beurteilungen zu dessen Offiziersanwärter-Lehrgang (OA) und während der Zeit als Lehroffizier in Döberitz. Die Beurteilung zum OA-Lehrgang habe ich am Ende dieser Seite eingefügt.

Albert Schmidt wurde am 2. November 1941, wenige Wochen nachdem Kurt seine rechte Hand verloren hatte, in den harten Waldkämpfen bei Boltino durch Granatsplitter an Knie und Arm verwundet. Nach seiner Genesung wurde er in der Infanterieschule Döberitz zum Ausbildungsoffizier für Nahkampf. An gleicher Dienststelle war Kurt ebenfalls im Dienst. Die Beurteilung des Lehrstabes Döberitz hält über Schmidt fest: 

„gute sportliche Erscheinung. Unkomplizierter Charakter, von draufgängerischem mit schonungslosem aber sturen Wesen. Passionierter Soldat, vor dem Feinde bewährt. Durch große Passion und Schwung erzielte Schmidt gute Leistungen als Nahkampfausbildungs-Offizier. Geistige Wendigkeit gering, körperlich zäh. Zu den starken Seiten zählen Mut und Entschlossenheit. Schwache Seite: Schmidt lässt sich von Frauen schnell beeinflussen.”

Da die Granatsplitterverletzung des Knies Albert Schmidt weiterhin deutlich in der Ausübung seiner Tätigkeit als Lehroffizier behinderte, wurde er am 1. Oktober 1942 zu den aktiven Truppenoffizieren des Friedensheeres überführt. Angesichts der hohen Verluste der Wehrmacht erfolgte Anfang 1944 eine erneute Einberufung in den Wehrdienst. Kurz vor Kriegsende wurde er an der Oder-Front eingesetzt, es folgte die Teilnahme an der Kesselschlacht von Halbe, wo er nur knapp der Gefangenschaft entkommen konnte.

Kurt und Albert kannten sich bereits durch die Division, man sah sich, man ignorierte sich! Dann kam für beide die Entscheidung Offizier zu werden. Nach Ende des Frankreich-Feldzuges wurden beide an die Infanterieschule Döberitz kommandiert.

Kurt (links) und Albert während der gemeinsamen Zeit im Lehrstab I der Infanterieschule Döberitz. Kurt Schwert war taktischer Ausbildungsoffizier und Albert Schmidt war Ausbilder für Nahkampf.

In Kurts Memoiren lesen wir:

Die Offiziersausbildung war vielseitig und anstrengend, aber sie machte trotzdem großen Spaß. Neben der Formalausbildung erlernte Kurt Schwerdt das Reiten. Die Entwicklung der nächsten Tage und Wochen beflügelte seinen militärischen Eifer und war sehr hilfreich für Rang und Ansehen. Seine Vorgesetzten Kolrep und später Berger lernten Kurt noch die folgenden wichtigen Tugenden: Gedankengut und Geisteshaltung neutral zu halten und sich keinem verpflichtet zu fühlen. Bis hierher lief alles prima und bestens, wäre da nur nicht dieser andere Offiziersanwärter gewesen:

„Einer von der arroganten Art, so ein  Schnösel, zwar so alt wie ich selbst, aber trotzdem ein Grünschnabel! Einer von der Sorte, der alles besser konnte und wusste! Und in allem wollte er jedem etwas vormachen! Dabei natürlich besonders mir! Der wollte Offizier werden??? Diesen Kerl musste ich unweigerlich einmal ganz streng an der Kandare nehmen und zur allgemeinen Ordnung in die Schranken einweisen!“

Kurt hatte den Plan gefasst, diesem Kerl zu zeigen, was eine Harke ist. Nicht seine Stiefel sind besser geputzt, nicht seine Uniform sitzt besser und nicht sein Wissen ist größer als das eigene.

„Dem Kerl werd ich schon zeigen wo der Hase lang läuft!“

Es kam zu einem Duell zweier Kontrahenten, der eine wollte besser sein als der andere. Dieser Wettkampf endete an einem Freitagabend nach dem einem oder anderem Glas Bier mit einer Keilerei im Kasino. Laut werden, den anderen übertönen, „…das kann ich doch besser!“, „Nein, bestimmt nicht!“, dann wurde geschubst und gestoßen, aber auch das konnte der eine besser als der andere… und schon folgten mehrere Fausthiebe und Schläge, die erst durch den Ruf „Achtung, Offizier!“ eingestellt wurden!

„Jawohl, Herr Major! Nein, Herr Major! Jawohl, Herr Major!“

Nach einem kurzen und zackigen „Verhör“ mit heftiger Ansage durch den Herrn Major war die „Tafelrunde der beiden tapferen Streiter“ beendet worden, unter unglaublichem Kopf­schütteln mussten sich Kurt und der „andere“ „freiwillig“ bei dem Wachhabenden zum Einschließen für den Rest des so sehr ersehnten Wochenendes einfinden!

Hin und vorbei war es mit dem Benehmen und würdigen Auftreten eines deutschen Offiziers! Einen traurigen Anblick boten die beiden auf ihrem Weg zur Wachstube! Dem einen das Hemd zerrissen, der andere vermisste seinen linken Schuh, welcher unauffindbar blieb.

Auf dem Weg zur Wachstube trat eine bedrückende Stille ein, die einer der beiden plötzlich unterbrach:

„Ihr Auge!“

„WAS ist mit MEINEM Auge?“

„Nun, ja! Es ist BLAU!“

„Ihres AUCH! Jawohl, Ihres AUCH!“

Natürlich hatte keiner der beiden ein blaues Auge, aber was machte das schon, denn sich selbst davon überzeugen konnten sie ja nicht. Erst nachdem der letzte das berühmte „letzte Wort“ hatte (und es gab einige letzte Worte), trat ein herzliches Gelächter ein, allerdings mit einer darauf folgende Ruhe! Eine sehr nachdenkliche Ruhe! Zeit zum Nachdenken sollten beide bekommen, zwar nicht das ganze Wochenende, wie es von Herrn Major gefordert wurde, dafür aber bis zum nächsten Morgen, als der Wachhabende die beiden Streithähne aus dem „Café Viereck“ entließ. Die ganze Nacht über soll es immer wieder zu lautem Gelächter aus dem kühlen Zellenraum gekommen sein.

In dieser Nacht stellte Kurt fest: dieser „Schmidt“ war gar nicht ein so übler Kerl! Und Schmidt sollte sich ebenfalls davon überzeugen, dass der „Schwerdt ein ganz harter Hund sein kann!“ Diese Nacht ließ die angehenden Leutnants Schmidt und Schwerdt zu engen Freunden werden, die später stundenlang Taktiklehre paukten und die zusammen ausgedehnte Streifzüge um die Häuser oder auch über den Truppenübungsplatz unternehmen würden. Dieser Albert Schmidt war ein gewiefter Hund, ein lustiger ebenso, ein feiner Kerl ganz so, wie Kurt auch einer war! An diesem Tage, besser während der Nachtstunden, war eine dicke Freundschaft entstanden. Die beiden Streithähne hatten sich erst gegenseitig „die Sporen gegeben“ und gingen danach gemeinsam und kamerad­schaftlich durch die restliche Zeit der Offiziersausbildung.

Mit Abschluss des Lehrgangs wurden Kurt und Albert am 1. Februar 1941 zu Leutnants befördert und zurück ans Regiment beordert, das sich inmitten der Verlegung von Calais nach Dünkirchen befand. Nachdem sie sich bei dem Bataillon meldeten, wurde Kurt der 7. Kompanie und Albert der 6. Kompanie jeweils als Zugführer zugeteilt. Jetzt also sollten sich wenigstens fürs erste die Wege der beiden trennen; der fortwährenden Freundschaft aber tat dies keinen Abbruch.”

Beurteilungsnotiz des Offiziersanwärterlehrganges für Albert Schmidt.

Ralf Anton Schäfer