Stabbrandbomben – Abwurfmunition des 2. Weltkrieges – Teil II

Stabbrandbomben – Teil II und Schluss

In Teil I haben wir uns mit dem Verwendungszweck und dem Einsatz der Stabbrandbomben befasst. In diesem Teil werden wir nun die verschiedenen Typen der Brandbomben kennenlernen und Details über die Sicherung, Zündung und das Abbrandverhalten erfahren.

Merkmale der Ausführungen MK I bis MK III

  • INC 4 LB MK I bis MK III

Gewicht 1,7 Kg. Länge 545mm, sechskantiger Querschnitt, 42mm im Durchmesser.

Zünder: Aufschlagzünder als Bodenzünder, bei MKIII Zündergehäuse aus Leichmetall-Spritzguss

Elektronmantel: 570 Gramm

Thermitfüllung MK I: 225 Gramm, eingepresste Festkörper in Pillenform zu jeweils 16 Gramm

Thermitfüllung MKII und MKIII: 210 Gramm, eingepresste Festkörper in Pillenform zu jeweils 16 Gramm

Zerlegesatz bei Ausführung MK II und MKIII: im August 1940 erstmalig zur Verwendung gekommen, 10 bis 15 Gramm Schwarz- oder Nitropulver, eingefasst in einer Pappröhre, ab 1941 auch in Blechkörpern, am unteren Ende vor dem Stahlgewicht eingesetzt.

Sprengsatz im Stahlkörper: erstmals im Mai 1942 abgeworfen, 15 Gramm Tetryl

Stahlgewicht: 675 Gramm oder 650 Gramm mit Hohlkörper, der durch eine Füllschraube verschlossen wird.

Kennzeichnung MK I: Brandkörper in hellem Grau, Stahlkörper rotbraune Grundfarbe. Ein hellroter Ring zwischen zwei schwarzen Ringen. Leitwerk Grün.

Kennzeichnung MK II:  Brandkörper in hellem Grau, Stahlkörper rotbraune Grundfarbe. Ein hellroter Ring zwischen zwei schwarzen Ringen. Leitwerk Grün. Zusätzlich ein hellroter Ring auf dem Elektronkörper in ca. 5cm oberhalb des Stahlgewichts.

Kennzeichnung MK III: Brandkörper in hellem Grau, Stahlkörper rote Grundfarbe. Ein hellroter Ring zwischen zwei schwarzen Ringen. Leitwerk Grün, entweder der Boden des Stahlkörpers oder der Abschluss des Leitwerkes in Rot gehalten. Zusätzlich ein hellroter Ring auf dem Elektronkörper in ca. 5cm oberhalb des Stahlgewichts.

Ausführungen mit Zerleger- oder Sprengladung sind mit einem “E” (Zerlegeladung) oder einem “X” (Sprengladung) auf dem Bombenkörper oder auf dem Deckel des Leitwerkes versehen. Diese Angabe können allerdings auch fehlen. Darüber waren auch Abweichungen in der breite der roten Farbmarkierungen bekannt, die eine Identifizierung nach Zerleger- oder Sprengladung ermöglichen sollten, hierbei unterschieden sich die Farbbänder lediglich in der Breite von entweder 2,54 cm oder 1,25 cm.

Masseneinsatz von Stabbrandbomben.

Masseneinsatz von Stabbrandbomben.

Merkmale der Ausführungen MK IV und MK V

  • INC 4 LB MK IV und MK V

Aufbau entspricht im Allgemeinen den Vorgängermodellen. Es können anstelle von zwei, auch vier Entgasungsbohrungen vorhanden sein. Das Leitwerk ist Hersteller- und Baujahrbedingt entweder mit Schrauben angebracht oder mit Nieten befestigt.

Zünder: Teilweise modifizierte Aufschlagzünder als Bodenzünder, Zündergehäuse aus Leichmetall-Spritzguss, Zünder oft aus Messing gefertigt.

Elektronmantel: 570 Gramm

Thermitfüllung: Herstellerbedingte Unterschiede zwischen eingepressten Thermit-Pillen oder direkt eingepresste Thermit-Pulverladung, Mengen zwischen 210 und 225 Gramm sind möglich.

Stahlgewicht: je nach Aufbau der Stabbrandbombe, entweder 675 Gramm bei Vollstahl oder 650 Gramm mit Hohlkörper, der durch eine Füllschraube verschlossen wird.

Allgemeiner Hinweis zu den Farbcodierungen bei sämtlichen Ausführungen: Durch die immens hohen Produktionszahlen, sind Abweichungen von den Farbcodierungen möglich. So gibt es zum Beispiel im Dezember 1944 anstelle der schwarzen Ringe, welche die in dunkelblau gehalten sind.

Kennzeichnungen auf der Stirnseite des Gewichtes sind relativ selten und kommen am häfigsten vor bei dem Model “INC 4 LB MK IV”. Vorhandene Codierungen geben Auskunft über:

Hersteller, Chargennummer

Angabe zum verbauten Zünder

Jahreszahl

MK I bis V für den Bombentyp mit evtl. Angabe eines „E“ oder „X“ für Spreng- oder Zerleger.

Magnesium Elektron Ltd, Charge 154 Zünder Nummer 4 Jahr 1944 Ausführung MK IV, mit Sprengladung

Magnesium Elektron Ltd, Charge 154
Zünder Nummer 4
Herstellungsjahr 1944
Ausführung MK IV, mit Sprengladung

 Sicherung und Zündung

Wie Stabbrandbomben zur Wirkung gelangen.

Wie Stabbrandbomben zur Wirkung gelangen.

Die Sicherungs- und Zündmechanik der Stabbrandbomben ist bei allen Typen fast identisch und unterschiedet sich minimal im Aufbau oder in den verwendeten Materialien. Die Bomben werden während des Verpackens in die Abwurf-Container so mit ihren Seiten aneinander gestapelt, dass die Sicherungsstifte eingedrückt und die Schlagbolzen am herunterschlagen gehindert werden. Werden die Bombencontainer vom Flugzeug ausgeklickt, lösen sich die Bomben aus der Halterung, die in einer Feder gelagerten Sicherungsplinte werden freigegeben und die Bomben scharf. Bei Aufschlag auf ein hartes Hindernis wird der empfindliche Schlagbolzen durch die Fliehkraft nach unten gedrückt und sticht das Zündhütchen an, wodurch die Vorladung und Zündladung aktiviert werden und die Bombe zum Abbrand kommt.

Bei Stabbrandbomben mit Zerleger- oder Sprengsatz wird unterschieden in

zwei Minuten bis Wirkung der Ladung

vier Minuten bis Wirkung der Ladung

 Gefahrenaspekte der Stabbrandbomben: Einfach aufgebauter und empfindlicher Zünder, der häufig zur Bildung von Blindgängern führt. Da insbesondere die Zündladungen und der Anfeuerungssatz in ihren chemischen Bestandteilen sehr wechselreich eingebracht wurden, ist die Gefahr gegeben, dass diese durch äußere Einflüsse chemisch instabil werden und zur Selbstentzündung gelangen können. Bei Modellen mit späteren Zündern geht der Schlagbolzen bereits nach dem Entsicherungsvorgang auf Halbscharf, was bedeutet, dass sich die Spitze des Schlagbolzens unmittelbar vor dem Zündhütchen befindet. Bei Blindgängern kann nun ein heftiger Stoß oder ein Sturz aus bereits 30 cm Höhe zur Entzündung des Anfeuerungssatzes ausreichen, wodurch um die Stabbrandbombe zur Wirkung gelangt.

Die Sprengkraft des in der Stahlkammer eingebrachten Sprengstoffes ist vergleichbar mir der einer Handgranate, Stahlsplitter werden im Idealfall bis 30 Meter getragen und können noch Stahlblech durchschlagen. Die Kraft der Zerlege-Ladung ist ausreichend stark, um schwerste Verstümmelungen herbeizuführen. Die thermale Zerstörkraft kann Lebensgefährlich sein, weil Temperaturen von bis zu 3200° erreicht werden können. Darum gilt:

Blindgänger sowie Teile von Stabbrandbomben sind immer so zu behandeln wie jedes andere Kampfmittel. Nicht weiter freilegen oder damit rum hantieren, die Fundstelle sichern und entsprechende Behörden verständigen.

Abarten der Bombenköpfe

Die verschiedenen Fertigungen der Brandbomben sind alle auch mit verschiedenartigen Bombenköpfen zum Einsatz gekommen. Man kann nicht verallgemeinern, dass z.B. der Bombentyp “Inc 4 LB MKI” keine Sprengkörper besessen hat oder dass die späteren Modelle wie “Inc. 4 LB MK IV” insgesamt mit Sprengkörpern versehen waren.

Aufbau der verschiedenen Bombenköpfe

Aufbau der verschiedenen Bombenköpfe

 

Abbranderscheinung und Zündwirkung

Da der Elektron-Mantel aus einer Mischung von etwa 90 % Magnesium und 10 % Aluminium besteht, benötigt die Legierung eine Temperatur von mindestens 650° C um zu schmelzen und verbrennt mit sehr heller Flamme bei rund 2200°. Zur Entzündung dient eine eingebrachte Thermit-Ladung, durch den gleichzeitigen Abbrand von Thermit werden Verbrennungstemperaturen von 2800° bis 3200° C erreicht. Wird versucht, die Brandbombe mit Wasser zu löschen, kommt es zu einer thermischen Reaktion, in der flüssiges Metall weit verspritz wird. Bei dem Löschversuch spaltet sich Wasser (h2o) auf in Wasserstoff (H) und Sauerstoff, wobei Wasserstoff höchst entzündlich ist und Sauerstoff ohnehin den Brennvorgang steuert. Durch die extrem hohen Temperaturen können durch einen unsachgemäßen Löschvorgang schwerste Verletzungen hervorrufen werden. Löschen geschieht durch Abdecken mit Sand, wodurch der Bombe die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wird.

Ist die Stabbrandbombe zur Zündung gelangt, macht sich sofort ein starkes Zischgeräusch bemerkbar, wobei heller weißer Qualm durch die Ausgasungslöchern gepresst wird. Binnen ein bis zwei Minuten beginnt der Elektron-Mantel glühend auseinanderzulaufen und bildet den sogenannten Brandkuchen. Durch die starke Strahlungshitze können bereits brennbare Gegenstände in unmittelbarer Nähe in Brand geraten. Festes Holzwerk gerät nur zögernd in Brand.

Bei Stabbrandbomben mit Zerlege-Ladung detoniert die Ladung nach zwei, spätestens nach vier Minuten, zerreißt den unteren Teil des Mantels in Leichtmetall-Splitter, die bis 30 Meter weit geschleudert werden können. Die Durchschlagleistung ist relativ gering, bereits Holzschilde von etwa 12 bis 15 mm Stärke werden nicht mehr durchschlagen.

Bei der Stabbrandbombe mit Sprengkopf wird innerhalb von zwei bis maximal vier Minuten die Detonation des Stahlkopfes ausgelöst. Die mit großer Wucht umherfliegenden Stahlsplitter durchschlagen Stahlplatten mit vier bis sechs Millimetern Dicke oder Holzbretter von vier Zentimetern Stärke. Infolge der heftigen Detonation ist die brandstiftende Zündwirkung verhältnismäßig gering.

Ausgebrannte und detonierte Stabbrandbombe, nach Detonation in ca. 60 cm Tiefe in Lehmboden in Dresden-Gruna. Quelle: Wikipedia, Fotograf = Akinne http://de.wikipedia.org/wiki/Stabbrandbombe

Ausgebrannte und detonierte Stabbrandbombe, nach Detonation in ca. 60 cm Tiefe in Lehmboden in Dresden-Gruna.
Quelle: Wikipedia, Fotograf = Akinne
http://de.wikipedia.org/wiki/Stabbrandbombe

In den „Bemerkungen zum Einsatz der Luftwaffe Nr. 11“ vom 14. November 1940 notiert der Führungsstab Ia unter der Referenznummer 34 zu Tagebuchnummer 527/40g „…Die Untersuchung eines unversehrt aufgefundenen Schüttkastens mit englischen Brandbomben (Elektron-Thermit), 6-kantiger Stab, (1,7 Kg Gewicht) ergab, dass neuerdings auch Brandbomben mit Sprengzusatz geworfen werden. Unter 50 Brandbomben gewöhnlicher Bauart befanden sich 4 Spreng-Brandbomben. Diese sind äußerlich nur durch einen schmalen roten Farbring in 10 cm Abstand vom Kopfende und einem roten Anstrich bis zum Abschlussdeckel des Leitwerkes von den üblichen Brandbomben zu unterscheiden. Die Spreng-Brandbomben brennen zunächst wie gewöhnlich mit völlig ruhiger Feuererscheinung ab. Nach 1 – 4 Minuten, je nach Lage am Boden (waagerecht freiliegend bis 4 Min.) detonieren sie mit heftigem Knall, der mit der Wirkung einer Handgranate zu vergleichen ist. Die Detonation wird durch eine Schwarzpulverladung innerhalb der Elektronhülle hervorgerufen, wodurch unverbrannte Elektronsplitter von 3 – 8 cm Länge 30 – 50 Meter weit weggeschleudert werden. Die Zündwirkung dieser Bombe ist gering. Sie hat offenbar den Zweck, die Löschkräfte an der tatkräftigen Bekämpfung der Brandbomben zu hindern…“

Ralf Anton Schäfer