Nebelkörper der Wehrmacht

Besonders während der letzten beiden Kriegsjahre wurde die direkte Panzerabwehr immer weiter auf die Schultern der in der vorderen Linie eingesetzten Grenadiere ausgelagert. Hierdurch versuchte man die Fehlbestände an schweren Panzerabwehrwaffen zu komprimieren. Drohten feindliche Panzer durch die deutschen Linien durchzubrechen, oblag es oft der Infanterie, diese Panzer aufzuhalten. Panzerjagdkommandos hatten den Auftrag, feindliche Panzer durch den gezielten Einsatz von PaK (Panzerabwehrkanonen), Minen und Panzerfäuste auszuschalten. Dabei kam es oft zur direkten Konfrontation zwischen Mann und Panzer. Besonders Panzerfaust und Panzerschreck (Panzerbüchse 54) wurden ihrem Ruf gerecht, feindliche Panzerfahrzeuge wirksam bekämpfen zu können – sofern sich die Waffe in der Hand eines mutigen Soldaten befand.

Blenden

Näherten sich feindliche Panzer auf eine Entfernung von weniger als 100 Metern, konnten sie schnell zur wehrlosen Beute für eine gut getarnte Grenadiergruppe werden, die mit Tellerminen, Panzerfäusten und automatischen Waffen das Ende für ganze Panzerverbände bedeuten konnten. Aber Mut allein war keine Waffe und so mussten die Grenadiere die feindlichen Panzer zu aller erst zum Halten zwingen und ihn von der Begleitinfanterie trennen. War das geschehen, konnte der Versuch unternommen werden, den Panzer auszuschalten.

Dann musste ihm die Sicht genommen werden, hierzu kamen chemische Blend- und Nebelkörper zum Einsatz. Besonders wenn der erzeugte Nebel in den Kampfraum des Panzers eindringen konnte, war es mit etwas Glück möglich, feindliche Panzerkampfwagen unzerstört zu erobern, da die Besatzung durch die starke Reizwirkung zur Aufgabe des Panzers gezwungen wurde.

Die hierfür eingesetzten Nebelkörper glichen zu Beginn des Krieges noch im wesentlichen Aufbau der Stielhandgranate 24. Im September 1939 verfügte das deutsche Heer über rund 65.000 Stück Nebelhandgranaten 39; bis zum Endes des Zweiten Weltkrieges wurden rund 7,4 Mio. Stück hergestellt.

Der nachfolgende Artikel befasst sich ausschließlich mit den Handgranaten, die als Nebelwaffen eingesetzt wurden und klammert bewusst die Nebeltöpfe- und Kerzen aus, da diese zum Teil mit unterschiedlichen Nebelstoffen gefüllt waren.

Deutsche Panzergrenadiere in Italien - Bewaffnet mit Panzerschreck, MP40 und einer Nebelhandgranate 39. Fotos Bundesarchiv: Bild 101I-313-1003-16A / Vack /

Deutsche Panzergrenadiere in Italien – Bewaffnet mit Panzerschreck, MP40 und einer Nebelhandgranate 39. Fotos Bundesarchiv: Bild 101I-313-1003-16A / Vack /

Nebelhandgranate 39 und 39B

Die Nebelhandgranate 39 besaß eine rund 420 Gramm schwere Wirkladung aus Hexachlorethan (C2Cl6) und Zinkpulver, die mittels Abreißzünder (Brennzünder 39 Nebel) und Zündkapsel (Zündladung Nr.4) zum Abbrand gebracht wurde. Die Verzögerung lag je nach verwendeten Zündern bei 4.5 Sekunden bzw. bei max. 7 Sekunden. Wenig später wurde die Nebelhandgranate 39 B eingeführt, diese war baugleich also absolut identisch, unterschied sich nur durch ein verändertes Mischungsverhältnis der beiden Hauptbestandteile der Nebelmasse, diese beliefen sich fortan auf 47 Teile Zink zu 53 Teilen Hexachlorethan. Ab 1942 kamen neben der bislang bewährten Mischung zunehmend auch Mischungen von 80 Teilen Hexachlorethan und 20 Teilen Aluminiumpulver zum Einsatz. Hierdurch erhielt der Nebel eine grauere Grundfärbung. Auf die Brenndauer hatte die neue Mischung keinen Einfluss, die Nebelbildung betrug immer noch etwa zwei Minuten.

Sowohl bei der Nebelhandgranate 39 als auch bei dem Nachfolgemodel 41 finden sich acht, selten auch neun, Ausgasungslöcher für den Nebel rings um den Bereich wo der Zünder in den Nebelkörper eingebracht ist. Der Stiel der Nebelhandgranate 39 besitzt mittig einen etwa 2 cm breiten weißen Farbstreifen und am Griffende wurde ab Ausführung 39B eine Riffelung angebracht, damit ein besonderes Unterscheidungsmerkmal bei Dunkelheit zur Stielhandgranate 24 hergestellt werden konnte. Das Wurfgewicht der Nebelhandgranate 39 liegt bei rund 850 Gramm.

Darstellung der Nebelhandgranate 39B - besonders Markant: Das geriffelte Stielende zur Unterscheidung von der Stielhandgranate 24. Abbildung aus Heeresdienstvorschrift 211.

Darstellung der Nebelhandgranate 39B – besonders Markant: Das geriffelte Stielende zur Unterscheidung von der Stielhandgranate 24. Abbildung aus Heeresdienstvorschrift 211.

Stielhandgranate 24 - Handgranate mit Sprengwirkung - daher musste dringend ein Unterscheidungsmerkmal geschaffen werden. Abbildung: "Allied Technical Intelligence Reports 1944-45" German Grenades, Nationalarchiv Washington, USA

Stielhandgranate 24 – Handgranate mit Sprengwirkung – daher musste dringend ein Unterscheidungsmerkmal geschaffen werden. Abbildung: “Allied Technical Intelligence Reports 1944-45” German Grenades, Nationalarchiv Washington, USA

Nebelhandgranate 41

1941 wurde mit der Nebelhandgranate 41 das Nachfolgemodel eingeführt, ohne aber das Standardmodell abzulösen. Nahezu identisch im Aufbau, allerdings ohne den typischen Stiel, doch dafür mit dem Zündschnuranzünder 39 versehen, fasste der Nebelkörper bei einer Abmessung von 66 x 73 mm rund 450 Gramm der gleichen Mischung. Das Gesamtgewicht betrug rund 530 Gramm. Obgleich die Wirkladung um rund 30 Gramm erhöht worden war, betrug die reine Brenndauer lediglich 100 – 120 Sekunden und lag damit sogar im Schnitt unter der Brenndauer des Schwestermodels.

Abbildung der Nebelhandgranate 41 - ohne eingeschraubten Zünder. Abbildung: Heeresdienstvorschrift 1103 / Heft 1, Nebelmittel, Beschreibung und Bedienungsanleitung

Nebelhandgranate 41 – ohne eingeschraubten Zünder. Abbildung: Heeresdienstvorschrift 1103 / Heft 1, Nebelmittel, Beschreibung und Bedienungsanleitung

Nebeleihandgranate 42

Im Sommer 1943 stellten Ingenieure in der Heeresversuchsstelle Munster-Nord die Nebeleihandgranate 42 vor. Optisch zwar eine Neuerung, arbeitete das neue Baumuster immer noch nach dem altbekannten Prinzip. Ein ovaler Metallkörper, der aus einer oberen und unteren Halbschale bestand. Am oberen Ende war der Abreißzünder untergebracht, der Zündschnuranzünder 29 bzw. 39. Zudem fanden sich in der oberen Hälfte drei Öffnungen, die dem Austritt des Nebels dienten. Die Nebelladung befand sich in der unteren Hälfte. Ebenfalls am unteren Ende war eine Öse zum einfachen Transport der Granate angebracht. Die Länge inkl. Zünder betrug 135 mm, der Durchmesser lag bei 60 mm. Das Nebel-Ei 42 wog 280 Gramm, wovon 170 Gramm auf die Füllung entfielen. Ein großer Vorteil dieser Nebelhandgranate lag darin, dass sie sich mittels Leuchtpistole und dem Adapter für den Wurfkörper 361 nun auch anstelle der Eierhandgranate 39 auf größere Entfernung verschießen ließ.

Seit Oktober 1943 lief die Massenproduktion an und bis zum Kriegsende waren knapp 1,8 Mio. Stück an die Truppe ausgeliefert worden.

Nebeleihandgranate 42 - Foto "Allied Technical Intelligence Reports 1944-45" - Report No. 54, Nationalarchiv Washington, USA

Nebeleihandgranate 42 – Foto “Allied Technical Intelligence Reports 1944-45” – Report No. 54, Nationalarchiv Washington, USA

Gemeinsame Merkmale

Alle drei Modelle besaßen ein unterbrochenes, etwa 1 cm breites weißes Band quer über den Steingrau, zum Teil auch grün lackierten Körper, dazu die mit Tintenstempel aufgebrachte Typenbezeichnungen. Bei jeweils der Nebelhandgranate 39 und 41 waren auf dem Topf Aufkleber aufgebracht mit dem Warnhinweis „Lebensgefahr bei Verwendung in geschlossenen Räumen“, ein entsprechender Warnhinweis fand sich bei der Nebelhandgranate 42 am unteren Ende, konnte aber auch komplett fehlen. Um die Nebelhandgranate 39 auch während der Dunkelheit sicher von der Stielhandgranate 24 unterscheiden zu könne, war hier der Stiel am unteren Ende mit Kerben versehen.

Bei allen Modellen musste größtes Augenmerk darauf gelegt werden, dass nicht versehentlich die Sprengkapsel Nummer 8 (zur Verwendung z.B. in der Stielhandgranate) eingesetzt wurde.

In sämtlichen Ausführungen der Nebel(Hand)granaten war die Nebelmischung in Wachspapier eingelassen und mit einem zusätzlichem Deckel aus Wachpapier zum Zünder hin abgedichtet.

Abbrand und Toxikologie

Nach der Zündung kommt es zum Abbrand der eingebrachten Mischung, wobei das Zinkpulver unter der Bildung von gasförmigen Zinkchlorid (ZnCl2) das Hexachlorethan zersetzt. Da Zinkchlorid höchst hygroskopisch ist, zieht es Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft, wobei es zur Bildung des typischen dichten weißen Nebel kommt.

Bereits die freigesetzten Stoffe des Hexachlorethan wirken Leberschädigend und können darüber hinaus eine narkotisierende Wirkung haben. Da allerdings der Abbrand gemeinsam mit Zinkpulver und zum Teil anderen Metallen wie Aluminium bzw. Magnesium erfolgt, kann es zur Freisetzung von polychlorierten Dibenzodioxinen kommen, den besser bekannten Dioxinen.

Der freigesetzte Nebel besitz einen brennenden Geschmack und wirkt stark ätzend. Erst 1991 wurde im Zuge von wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt, dass gerade die Entstehungsprodukte im Abbrand gemeinsam mit Zinkchlorid besonders gefährlich waren und zu schweren pathologische Lungenverletzungen führen können, die unter Umständen zum Tod durch Lungenödem führen.  ZnCl2 ist stark ätzend und adstringierend, das heißt Eiweißfällend, wodurch es zur Austrocknung und bei wiederholter Aufnahme zur dauerhaften Schädigung von Schleimhäuten kommen kann. Zudem führt der Nebel zu Verbrennungserscheinungen auf feuchten Körperoberflächen, einschließlich der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts. Darüber hinaus wurde berichtet, dass es die Nervenenden in den oberen Atemwegen und der Augen schädigt, was zur nachhaltigen Schädigung des Geruchssinns und der Sehleistung führen kann. “

Da Hexachlorethan wasserunlöslich ist, ist die Gefährdung auch nach mehr als 70 Jahren nach Kriegsende uneingeschränkt hoch. Zink in reiner Pulverform ist ein sich selbst entzündbarer, pyrophorer Stoff, der sich bereits bei Raumtemperatur an der Luft ohne weitere Energiezufuhr erhitzen und schließlich entzünden kann. Diese Eigenzündfähigkeit hängt ab von der Reinheit und der Korngröße des Pulvers. Bei Kontakt mit Wasser bilden sich Gase, die sich spontan entzünden können.

Ausbildung der Panzer-Nahbekämpfung am fahrenden Modell. Nachdem die Nebelhandgranaten an der Panzerfront angebracht wurde, muss der Soldat die Sprengladung anbringen. Der graue Rauch deutet darauf hin, das hier eine Nebelmischung mit Aluminiumanteil verwendet wurde.

Ausbildung der Panzer-Nahbekämpfung am fahrenden Modell. Nachdem die Nebelhandgranaten an der Panzerfront angebracht wurde, muss der Soldat die Sprengladung anbringen. Der graue Rauch deutet darauf hin, das hier eine Nebelmischung mit Aluminiumanteil verwendet wurde. Bild: Bundesarchiv, Bildnummer 183-J08362

Quellenangaben:

  1. Heeresdienstvorschrift 469/4, Panzernahbekämpfung, Oberkommando des Heeres, 1942
  2. Heeresdienstvorschrift 211, Oberkommando des Heeres, ohne Jahrgang
  3. Allied Technical Intelligence Reports 1944-45″, Nationalarchiv Washington, USA
  4. Enemy Ordnance Material, German, 1945, United States Army, USA
  5. Catalog of German Ordnance and Equipment, Mines, Grenades, Ammunition, Aberdeen Proving Ground, Maryland
  6. Waffen-Arsenal – Panzerabwehrgeschütze. 3,7 cm – 5,0 cm – 7,5 cm – 8,8 cm – Pak. Band 117, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 3-7909-0360-4
  7. Waffen-Arsenal – Deutsche Handgranaten 1914-1945, Band 175, Wolfgang Fleischer, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 3-7909-0631-x
  8. Deutsche Nahkampfmittel bis 1945, Hubert Fleischer und Hubert Jülch, Motorbuch-Verlag, ISBN 978-3613025875
  9. “Toxicity of Military smokes and obscurants, Volume I”, 1997, Committee on Toxicity, Subcommittee on the Assessment of Military Smokes and Obscurants, National Research Council, National Academy Press, Washington, USA,
  10. Wikipedia-Beitrag zu Zinkchlorid
  11. Wikipedia-Beitrag zu Hexachlorethan
  12. Wikipedia-Beitrag zu Zink
Schematischer Aufbau eines Abreiszünders

Schematischer Aufbau eines Abreißzünders.

 

Ralf Anton Schäfer