Kampfmittel und die Räumdienststellen

Kampfmittel- und Kampfmittelräumdienst

Unter Kampfmitteln versteht man sämtliche zur Kriegsführung bestimmte Munition, insbesondere Bomben, Granaten oder sonstige Munition. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um Explosivmunition handeln, sondern fällt auch Munition unter diese Klassifizierung, die Kampf-, Nebel-, Brand-, Reiz- oder Rauchstoffe bzw. Licht und Blitzsätze enthalten. Falls Sie Gegenstände finden, bei denen es sich um Kampfmittel handeln könnte, sind sie verpflichtet, dies unverzüglich zu melden. Halten Sie Abstand zu dem Fund, um sich oder andere Personen nicht zu gefährden. Informieren Sie unverzüglich die Polizei oder die Ordnungsbehörde der Kommune.

Selbst mehr als 70 Jahre nach Kriegsende werden täglich noch immer zahlreiche Bombenblindgänger und nicht detonierte Kampfmittel gefunden. Allein im Jahr 2015 hat der Kampfmittelräumdienst des Landes Rheinland-Pfalz rund 30 Tonnen Munition und Munitionsteile geborgen, darunter befanden sich 49 Bomben,  3700 Artilleriegranaten, 97 Panzerfäuste,  254 Handgranaten und 147 Stabbrandbomben; ein schnelles Ende ist nicht in Sicht.

Das Merkblatt “Kampfmittelfreies Bauen” hält fest, dass es im Jahr durchschnittlich zu 2 Selbstdetonationen von Bomben kommt, jedes Jahr werden im Regelfall in Deutschland rund 5.000 Bombenblindgänger aufgefunden, allein über Deutschland wurden während des Zweiten Weltkrieges 1,4 Mio Tonnen Bomben abgeworfen, dabei kam es je nach Munitionstyp zu schätzungsweise 5-25 % Blindgänger. Nach aktuellen Schätzungen muss man davon ausgehen, dass sich bundesweit noch ca. 100.000 Tonnen Bombenblindgänger im Boden befinden, dazu kommen unzählige Hinterlassenschaften in Form von Minen, Panzer-, Artillerie- bzw. sonstiger Infanteriemunition, die auf den Schlachtfeldern zurückgeblieben ist bzw. unmittelbar nach Kriegsende vergraben oder zum Teil in Seen und Flüssen versenkt wurde. Aufgrund diverser Eigenschaften wie z.B. dem Verbau von vorgespannten Zündsystemen bzw. der Verwendung von Langzeitzündern oder durch instabil werdende chemische Stoffe geht eine zusätzliche latente Gefährdung durch diese Kampfmittel aus.

Blindgänger einer Fliegerbombe. Foto aus der verlinkten Broschüre.

Blindgänger einer Fliegerbombe. Foto der oben verlinkten Broschüre “Kampfmittelfreies Bauen” entnommen.

Diese Kampfmittel besitzen ein erhebliches Gefährdungspotenzial und falls Sie entsprechende Gegenstände auffinden, bei denen es sich um Kampfmittel handelt könnte, dann halten Sie bitte unbedingt Abstand und informieren das zuständige Ordnungsamt oder die Polizei. Darüberhinaus haben Sie die Möglichkeit, den Kampfmittelräumdienst selbst zu kontaktieren.


Kostenfrage eines Räumeinsatzes

Die Beseitigung der Kampfmittel und sonstiger Fundmunition beider Weltkriege ist eine Aufgabe der Gefahrenabwehr im Rahmen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes des Landes Rheinland-Pfalz (POG). In anderen Bundesländer kann die Situation zum Teil gravieren anders aussehen. Die Vorgabe des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in Rheinland-Pfalz gibt in der “Arbeitshilfe Kampfmittel” eindeutig an:

Der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die von Kampfmitteln ausgeht, hat in Rheinland-Pfalz eine hohe Priorität. Daher werden die Kosten des Kampfmittelräumdienstes vom Land Rheinland-Pfalz getragen und dessen Leistungen sind für die betroffenen Grundstückseigentümer kostenfrei.

Organisatorisch gehört der Kampfmittelräumdienst zum Referat 23 Ordnungswesen, Hoheitsangelegenheiten, Lohnstelle ausländische Streitkräfte. Er besteht aus einer Leit- und Koordinierungsstelle in Koblenz, die von dem technischen Leiter geführt wird, und zwei Räumgruppen in Koblenz und in Worms. Die Zuständigkeit des Kampfmittelräumdienstes ist auf die zur Abwehr konkreter Gefahren unmittelbar erforderlichen Maßnahmen beschränkt. Aufgefundene Kampfmittel werden vom Kampfmittelräumdienst identifiziert, ggf. entschärft, abtransportiert und vernichtet.

Erfolgen Anfragen ohne konkreten Gefahrenhintergrund bzw. gibt es keine tatsächlichen Hinweise auf Kampfmittel (u.a. durch verbindliche Zeugenaussagen, historische Aufzeichnungen) kann der Kampfmittelräumdienst mangels gefahrenrechtlicher Anknüpfungspunkte nach Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) nicht weiter tätig werden. Für diese Fälle wird auf die Möglichkeit der Beauftragung einer Überprüfung durch geeignete private Fachunternehmen (kostenpflichtig) verwiesen.

Mangels konkretem Gefahrenverdacht gehört es auch nicht zu den Aufgaben des Kampfmittelräumdienstes, die Kampfmittelbelastung bzw. -freiheit von Grundstücken im Vorfeld von Baumaßnahmen zu beurteilen oder zu bescheinigen. Für grundstücksbezogene historische Recherchen und Bewertungen wird auf die Möglichkeit der Beauftragung eines privaten Fachunternehmens mit der Luftbildauswertung (kostenpflichtig) verwiesen.


Minenräumkommando der Wehrmacht während der Ausbildung am Minensuchgerät "MSGer 40 Aachen". Nach dem Zweiten Weltkrieg werden viele dieser Soldaten in den neu gebildeten Sprengkommandos ihren Anteil am Neubeginn und Wiederaufbau Deutschlands haben, in dem sie das erlernte zum Dienste des Gemeinwohls einsetzen. Unzählige dieser Männer werden dabei umkommen.

Minenräumkommando der Wehrmacht während der Ausbildung am Minensuchgerät “MSGer 40 Aachen”. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden viele dieser Soldaten in den neu gebildeten Sprengkommandos ihren Anteil am Neubeginn und Wiederaufbau Deutschlands haben, in dem sie das erlernte zum Dienste des Gemeinwohls einsetzen. Unzählige dieser Männer werden dabei umkommen.


Definition

Blindgänger

  • Blindgänger sind Kampfmittel, die scharf, zündfertig, entsichert oder auf eine andere Weise zum Einsatz bereitgemacht und die verschossen, abgeworfen, katapultiert, geworfen oder verlegt wurden und die aufgrund eines Versagens oder gewollt oder aus sonstigen Gründen nicht zur Wirkung gelangten.

z.B.: Granatmunition, die nach dem Verschuss nicht zur Umsetzung gelangt ist, weil Anzündmittel, Zündmittel oder Wirkungsladung versagt haben.
z.B.: Zündsysteme von Fliegerbomben konnten beim Abwurf in mehreren Tausend Metern Höhe vereisen, so dass die Entsicherung des Zünders nicht funktionierte. Daneben verfügten die verschiedenen Bomben über Kopf- oder Heckzünder, schlug der Sprengkörper nun quer auf, wurde der Zündern nicht belastet und die Bombe drang als Blindgänger in den Boden ein.

Brandstoffe

  • Bei Brandstoffen handelt es sich um feste chemische Verbindungen, Flüssigkeiten oder Gemische, welche nach dem Zünden, entweder durch Selbst- oder Fremdzündung,  hohe Verbrennungstemperaturen entwickeln, lange brennen, an Oberflächen gut haften und sich nur schwer löschen lassen.

z.B.: Brandbomben- oder Flaschen; oder Granatmunition, die mit Brennsätzen wie Phosphor oder anderen brennbaren Substanzen versehen sind. Zudem auch Brandhandgranaten und der gleichen mehr.

Chemische Kampfstoffe

  • Als chemische Kampfstoffe werden nach militärischer Definition chemische Substanzen bezeichnet, die in gasförmigem, flüssigem oder festem Zustand wegen ihrer toxischen Wirkung gegen Menschen, Tiere oder Pflanzen für Kriegszwecke oder militärischen Einsatz verwendet werden können und die Kampfkraft des Gegners durch vorübergehende, dauerhaft wirkende oder tödliche Vergiftung schwächen sollen.

z.B.: gehört nicht allein die aus dem Ersten Weltkrieg bekannte Giftgasmunition zu den chemischen Kampfstoffen, darüber hinaus zählen z.B. auch Nebelstoffe, wie sie sie in Blendkörpern etc. eingesetzt wurden, zu den chemischen Kampfstoffen. Blendkörper wie die BK2H bestanden aus einem glühbirnenähnlichem Glaskörper, in welchem die chemischen Substanzen eingebracht waren. Nach dem Auftreffen auf einem Panzer kam es durch die Vermischung der Substanzen (Titantetrachlorid & Siliziumtetrachlorid  & Calciumchlorid) zu sofortigem stark reizendem Nebel.

Munition und Munitionsteile

  • Bei Munition handelt es sich um Gegenstände oder Teile davon, für die bestimmungsgemäße militärische Anwendung. Darunter fallen

Explosivstoffe
Patronen
Kartuschen
Gefechtsköpfe
Handgranaten
Minen
Bomben
Torpedos
Raketen

einschließlich der Treib- und Zündsätze und weiteren pyrotechnischen Erzeugnissen. Munition kann Brand-, Nebel-, Reizstoffe oder auch chemische Kampfstoffe enthalten.

Um Fundmunition handelt es sich um jeden aufgefundenen Gegenstand, der als Munition identifiziert wurde oder aber um Gegenstände, die auf Grund ihrer Form, Kennzeichnung, Fundort usw. zunächst als solche betrachtet werden müssen. Die Unterscheidung zu einem ungefährlichen Gegenstand darf nur von dazu befähigten Fachkräften erfolgen.

Sprengstoffe

  • Sprengstoffe altern nicht! Selbst Bruch- und Splitterteile davon besitzen noch Jahrzehnte später ihre explosiven Eigenschaften. Auch wenn die Sprengmittel bis dahin ungeschützt im Erdreich gelagert haben, wie es auf Sprengplätzen oft der Fall ist, verlieren sie nicht ihre Brisanz! Darüber hinaus sind Sprengstoffe hoch giftig. Beispiel: Trinitrotoluol, umgangssprachlich TNT, ist hochtoxisch. Seine giftigen Substanzen können bereits durch Berührung mit der bloßen Haut aufgenommen werden und sind stark blut- und leberschädigend, darüber hinaus ist TNT krebserregend und schädigt das menschliche Erbgut. Zitat der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Partei “Die Grünen” im April 1919:

“Bei Sprengstoffen werden in erster Linie Nitrokörper verwendet, wie zum Beispiel 2,4,6-Trinitrotuluol (TNT), Hexanitrodiphenylamin (HND), Trinitrokresole (TNK), Tetranitroanilin (Tetryl), Tetranitro-aphtalin (TNN), Ammoniumpikrat (EX’D), Hexogen (RDX) und Nitro-guadinin (Nigu). Die Kontaminationswirkung dieser Stoffe kann so groß sein, daß die Wasserlöslichkeit ausreicht, um Grundwasser stark zu kontaminieren. Eine besondere Gefährdung des Grundwassers stellen dabei die salzartigen Verbindungen wegen ihrer Wasserlöslichkeit dar

  • Sprengstoffe und Initialsprengstoffe (Übertragungsladungen bzw. Sprengkapseln) sind in der Regel chemisch relativ stabil, dennoch unterliegen sie den Umwelteinflüssen, wodurch es zu kristallinen Ausschwitzungen der chemischen Stoffe kommen kann. Dadurch steigt das Gefahrenpotential immens, denn bereits geringe Reib- und Wärmebelastung dieser Kristalle können zu der vollständigen Umsetzung der Sprengstoffe führen. Viele schwere Unfälle mit alter Kriegsmunition resultieren aus der Unkenntnis dieser Tatsache und unsachgemäßer Behandlung von Fundmunition durch den Laien.
  • Pikrinsäure kann Salze (die so genannten Pikrate) bilden, die sich in Gewindegänge oder anderswo ablagern können, kommt es nun zur Belastung der hochempfindlichen Salze, kann dies die Zündkette in Gang bringen und die Detonation des Kampfmittels herbeiführen. Obwohl Sprengstoffe auf Basis von Pikrinsäure mit ca. 15.500 Tonnen nur etwa 1 % des Gesamtvorkommens der militärischen Sprengstoffe im Zweiten Weltkrieges ausmachen, wurden besonders zum Kriegsende hin diverse Sprengstoffe mit Ammoniumpikrat gestreckt; diese kamen meist in Sprenggranaten, Minen, geballten Ladungen oder als Pioniersprengstoff zur Anwendung. Die Beseitigung von Kampfmitteln hat daher bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren und steht nach wie vor im Blickpunkt des öffentlichen Interesses.

Transportfähigkeit

  • Kampfmittel egal welcher Art sind grundsätzlich als nicht handhabungs- und transportsicher zu betrachten. Sie gelten somit als nicht transportfähig, bis ein “Fachkundiger Munition” sie für transportfähig erklärt. Unter dem “Fachkundigem Munition” versteht man den Befähigungsscheininhaber mit Fachkundenachweis durch einen staatlichen oder staatlich anerkannten Grundlehrgang für den Umgang mit Fundmunition im Sinne und Zwecke der Kampfmittelbeseitigung. Umgangssprachlich handelt es sich bei dem “Fachkundigen Munition” um einen Feuerwerker bzw. Minenräumer.
  • Ohne eine “Verantwortliche Person” nach § 19 des Sprengstoffgesetzes geht gar nichts. Die “Verantwortliche Person” ist im Besitz eines Befähigungsscheines nach § 20 SprengG und verfügt im besonderen über die spezielle Fachkunde als Aufsichtsperson in der Kampfmittelbeseitigung. Die Verantwortliche Person wird für jede Räumstelle nach § 21 SprengG besonders bestellt.

Bergen von Kampfmitteln

  • Unter dem Bergen von Munition versteht man das Aufnehmen von Munition mit dem Ziel, diese in Sicherheit zu bringen oder aber den Gefahrenherd an einen anderen Ort zu verbringen. Zum Bergen zählen auch die hierbei erforderlichen Tätigkeiten wie z.B. das Aufspüren, Freilegen, Identifizieren, Bewachen, Untersuchen, Entschärfen, Wiederherstellen der Handhabungs- und Transportsicherheit und Verpacken der Munition sowie das Aufräumen Fundstelle.

Weiterführende Informationen und Kontaktadressen

 


Ralf Anton Schäfer