Exkursion 7 – Gefechte auf der Muhlau

Am 9. Mai 2015 führte uns die siebte Exkursion nach Wallmenroth auf die Muhlau, wo die Amerikaner Anfang April 1945 auf deutschen Volkssturm traf. Während dieser Runde befassten wir besonders auch mit dem Vormarsch der Amerikaner von Dauersberg nach Scheuerfeld den sich dadurch ereigneten Gefechten. Begleitet wurde die Runde durch Georg Keßler von der Siegener Zeitung, die im Anschluss über unsere Exkursion berichten würde.

Mehr als 20 Interessenten kamen zusammen, darunter befanden sich gleich mehrere Zeitzeugen; eine Dame aus Katzwinkel zum Beispiel, die im April 1945 während des Artilleriebeschuss an ihrem Fuß verletzt wurde, Ulrich Theis aus Betzdorf schilderte, wie sein Elternhaus durch deutschen Artilleriebeschuss stark in Mitleidenschaft gezogen wurde oder Leo Rettler, der in Katzwinkel das Kriegsende erlebte, schilderte wie die Amerikaner in den Ort einzogen und erinnerte sich noch gut an die Schrecken des Krieges, wie zum Beispiel die Gefallenen aus der Katzwinkler Umgebung im in der Scheune nahe des Elternhaus gesammelt und aufgebahrt wurden.

Am 30. März 1945 hatte sich die Front bereits weit nach Osten bewegt, die meisten Wehrmachtseinheiten waren hinter die Sieg abgedrängt worden. Während unserer Exkursion wollten wir uns die noch sichtbaren Spuren dieser Ereignisse im Bereich der Muhlau ansehen. Geht man mit offenen Augen durch die Welt, erkennt man noch vieler Orts die ehemaligen Stellungen der deutschen Wehrmacht oder der amerikanischen Soldaten. So auch im Bereich der Eisenbahnbrücke und an der Siegschleife. Stellungen, die durch den so genannten Volkssturm angelegt worden waren. Hitlerjungen im Alter von 16 und 17 Jahren, die plötzlich die Heimat verteidigen sollten.

Keßler hielt in seinem Artikel fest:

Man müsse sich einmal vorstellen, verdeutlichte Schäfer, dass jene Jungen mit Karl-May-Romanen ausgebildet worden seien. „Als abzusehen war, dass die GIs an die Sieg heranrücken würden, wurden die Bücher verteilt, um sich die Guerilla- Taktik der Indianer anzueignen.“ Daneben ist die Tatsache, dass gerade diese Einheit von einem alten Veteran des Ersten Weltkriegs kommandiert wurde, der in preußischer Uniform und Paradesäbel in den Kampf zog, fast nebensächlich. Schäfer versuchte dabei den nicht ganz einfachen Spagat zu meistern zwischen historisch belegbaren Tatsachen und was man so vom Hörensagen aufschnappte bzw. an Vorwürflichem kursierte.

Viele Legenden von „bösen Besiegten oder Siegern“, konnte er entkräften. „Deutsche Offiziere haben hier keine eigenen Leute erschossen, und auch haben die Amerikaner hier keine Gräuel angerichtet“, sagte Schäfer. Vielmehr konnte er belegen, dass sich viele deutsche Soldaten freiwillig den Amerikanern ergaben und das mit Billigung deutscher Offiziere, denen es im Regelfall darauf ankam, möglichst viele Leben zu retten. Schäfer vermittelte einerseits detailliertes historisches Wissen, er beleuchtete aber auch die menschlichen Aspekte der größten Katastrophe des 20 Jahrhunderts. Unzählige Anekdoten komplettierten das Bild in Wallmenroth und Scheuerfeld. Wer drei oder vier Tage nichts gegessen hatte und dann endlich in die Feldküche kam, die Lauchsuppe ausgeben sollte, in Wirklichkeit aber dem Volkssturm nur gesalzenes Wasser anbot, weil der Lauch „vergessen“ worden war, der dürfte einen Sinn für Realismus bekommen haben. Die jungen Menschen hatten vor allem eines: den Willen zu überleben.”

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Blick aus einer deutschen MG-Stellung. An diesem Ort war vor 70 Jahren eine deutsche MG-Stellung eingerichtet worden, die den amerikanischen Vormarsch aufhalten sollte. Entgegen des Befehls gab sich die Bedienung nur zu Bereitwillig in alliierte Gefangenschaft. Foto: Georg Keßler.

Der Vorstoß auf Scheuerfeld

Am 30. März 1945 marschierte das 28. US Infanterieregiment aus Richtung Dauersberg-Steineroth gegen Betzdorf und Scheuerfeld vor. Noch vor Erreichen des südlichen Ortsrandes von Scheuerfeld kam es zu einem beinahe zweistündigem Gefecht in der Nähe der Angsthardt, wo man auf eine deutsche Patrouille gestoßen war. Zur gleichen Zeit eröffnete ein deutsches MG aus Richtung Taubenstock das Feuer. Nachdem der Widerstand niedergekämpft worden war, hatten ein deutscher und zwei amerikanische Soldaten ihr Leben verloren und der Rest der Kompanie war nachgerückt und die Verwundeten konnten versorgt werden. Der Krieg stand damit unmittelbar vor Scheuerfelds Haustüre.

Ab ca. 6.30 Uhr versammelte sich die amerikanische Kompanie südlich des Ortes und eine Patrouille wurde entsendet. Nachdem die Patrouille zurückkehrte, sickerte die Kompanie mit zwei Zügen nach Scheuerfeld ein. Im Bereich des Friedhofes kam es zur ersten Feindberührung, wodurch die deutsche Besatzung in Scheuerfeld alarmiert wurde. Innerhalb weniger Minuten entwickelte sich ein Gefecht, worauf sich die Amerikaner zurück in die Ausgangsstellungen zogen. Die deutschen Soldaten setzten sich darauf im Bereich des Friedhofes an der Bahnlinie fest und mussten in einem erneut angesetzten Gegenangriff bekämpft werden. Während dieses Gefechts wurden mehrere deutsche und amerikanische Soldaten verwundet, zudem starben neun deutsche Soldaten. Im weiteren Tagesverlauf flammte nur hier und da noch vereinzeltes Feuer auf.

Gefechte auf der Muhlau

In den späten Abendstunden des 31. März 1945 wurde der Able-Kompanie befohlen, von Scheuerfeld aus eine Patrouille auf die Muhlau bei Wallmenroth zu entsenden und, wenn die Muhlau feindfrei sein sollte, das Gebiet direkt zu sichern. Gegen 23.00 Uhr ging die Patrouille im Bereich der Siegschleife in Stellung, ein Sicherungsposten wurde eingerichtet und die Männer überquerten die Sieg. Noch vor erreichen des Bereiches des heutigen Schützenhauses erhielten sie deutsches Feuer, das aber gleich nach einer kurzen Salve eingestellt wurde. Das Sicherungskommando des Volkssturmes für die Siegbrücke, drei Mann mit einem MG aus dem Ersten Weltkrieg, hatte die amerikanische Ankunft erwartet und begab sich nur bereitwillig in alliierte Gefangenschaft. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte die amerikanische Patrouille das Höhengelände der Muhlau und beobachtete, wie vier deutsche Soldaten sofort die Flucht nach Norden antraten. Im Bereich des Eisenbahntunnels befanden sich mehrere frisch angelegte Stellungen, wo eigentlich der Volkssturm die Verteidigung übernehmen sollte. Ein deutsches Feldtelefon, dessen Leitung nach Wallmenroth führte, war von den fliehenden Soldaten im letzten Moment zerstört worden.

Eine weitere amerikanische Patrouille stieß bis zum westlichen Eingang des Eisenbahntunnels vor, wo sie eine große Menge Munition erbeutete, die sich in Eisenbahnwaggons befand. Auch diese Patrouille stieß auf keinen Widerstand, konnte aber die Volkssturm-Angehörigen in Gefangenschaft nehmen, welche die auf dem Höhenrücken liegenden Stellungen verteidigen sollten. Im Verhör der Gefangenen stellte sich heraus, dass der regionale Volkssturm den Auftrag hatte, die Eisenbahnbrücke in Richtung Durwittgen und die Siegschleife zu verteidigen. Die Angehörigen des Volkssturms waren Hitlerjungen zwischen 16 und 17 Jahre alt und wurden durch einen alten Feldwebel angeführt, einem Teilnehmer des Ersten Weltkrieges, der mit preußischer Uniform, Dienstpistole und Paradesäbel die Einheit befehligte.

Um ca. 1.45 Uhr besetzen erste amerikanische Soldaten den Bereich des Eisenbahntunnels und wurden schon bald darauf aus Richtung der Krageswerke unter Feuer genommen. Etwa um 2.15 Uhr stieß eine deutsche Patrouille von Norden kommend gegen die amerikanischen Stellungen vor, dieser Vorstoß wurde abgewehrt, ein deutscher Soldat getötet und zwei weitere Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Um der Gefahr von weiteren Angriffen gewappnet zu sein, wurde bis zum Morgen der Rest des Zuges nachgeführt und ein Granatwerfer in Stellung gebracht. Der Rest der Nacht verblieb relativ ruhig, nur vereinzeltes Störfeuer aus den Krageswerken flammte auf, dass jedoch mit Einbrechen des Tageslichtes verstummte. Die letzten deutschen Soldaten verließen etwa zu diesem Zeitpunkt die Krageswerke, wo sie ein umfangreiches Waffendepot aus Panzerfäusten und ein in Stellung gebrachtes MG zurückließen.

Etwa um 13.50 Uhr kam es zu einem Angriff auf die Besatzer der Muhlau. Rund 50 deutsche Soldaten waren unter der Führung eines Offiziers angetreten, durch einsetzendes Granatwerferfeuer wurden die Amerikaner jedoch in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und nahmen gleich die ersten deutschen Bewegungen unter Feuer, worauf sich die deutschen Soldaten sofort in nördliche Richtung absetzten. Ein letzter Angriff, der ebenfalls nicht ernst zu nehmen war, setzte um 16.15 Uhr ein und wurde erneut durch das amerikanische Feuer abgewehrt. Durch in Gefangenschaft geratenen Soldaten erfuhr man, dass der kommandierende Offizier keine Lust hatte, noch in letzter Minute zu fallen, geschweige denn weitere Männer jetzt noch zu Opfern. Er führte diese Angriffe auch nur durch, weil sie durch den Divisionskommandeur persönlich befohlen worden waren. Der deutsche Offizier hatte den Soldaten vor den Angriffen freigestellt, den Widerstand einzustellen, die Flucht anzutreten oder sich in Gefangenschaft zu begeben.

Ralf Anton Schäfer