Etappe 1 > Von Au nach Wissen

Etappe 1 > Von Au nach Wissen

 

Ich bin dann gestern während strömendem Regens mit der Bahn von Betzdorf über Wissen nach Au gefahren. Trotz des extrem schlechten Wetters waren in Au knapp 40 Wanderer zusammengekommen, aus Herdorf, Wissen, Altenkirchen, darunter auch ein paar sehr rüstige Senioren im Alter von 80 Jahren und mehr. Mit einigen kam ich noch in interessante Gespräche. Niemand hätte gedacht oder erahnt, dass so viele Rucksackträger dem Wetter trotzen und an der Wanderung teilnehmen würden. Empfang der Wandergruppe und Vorstellung des Wanderführers Felix Knopp erfolgte im Bahnhofgebäude, das übrigens trotz der 1945 erfolgten Luftangriffe und des Artilleriebeschusses heute noch immer eine sehr gute Figur macht und in dem wir noch eine Weile ausharren, bis der erste schwere Schutt nachgelassen hat. Bevor es endlich los ging, wollte Petrus aber gerne noch einmal zeigen was er in Petto hat und ließ es noch einmal “so richtig ordentlich pissen”, wie ein Altenkirchener Mitwanderer zu mir sagte “Wat nu ronner küt, rähnt gleich nimmer”, er hatte recht, was jetzt runter kam, konnte später nicht mehr Regnen. Dafür regnete es jedoch die ersten vier bis fünf Kilometer beinahe unaufhörlich, nachdem man auf der Höhe zwischen Halscheid und Opperzau angelangte, gesellte sich noch kräftiger ein kräftiger Wind hinzu.

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Der Bahnhof Au, hier mit Sicht auf die amerikanische Linien im Wald hinter der Sieg. Wer sich wundert, weil es auf dem Foto nicht Regnet: ich habe während der Wanderung nur eine Fotografie gemacht, diese Bild ist älter.

Teile der ersten Wegstrecke waren für mich besonders interessant, da ich den Weg bereits durch eine Begehung kannte, die ich in den späten 1990er Jahren unternommen hatte. Damals begleiteten mich deutsche und amerikanisch Veteranen, die noch einmal auf den Wegen ihrer Geschichte wandeln wollten. Hierunter befand sich auch der damalige Unteroffizier Paul Dettmer, den man beim Forsthaus Au zum Führer einer Kampfgruppe ernannte und bereits am 1. April 1945 in Richtung Halscheid losschickte, wo er eine Straßensperre vorbereiten sollte, mit dem Befehl, sämtliche Durchgangsversuche der Amerikaner zu vereiteln. Paul Dettmer hatte aber kein großes Verlangen danach, noch so knapp vor Kriegsende sein Leben zu riskieren oder aber das Leben der ihm anvertrauten Volksstürmer und Hitlerjungen. Er entschied sich dazu, sich in den Wäldern zurückzuziehen und wenigstens dem Anschein nach seinem Auftrag nachzukommen, mit der Absicht, sich sobald der Amerikaner kommt, zu ergeben. Pauls Gruppe ging am Nachmittag des 6. April 1945 in Gefangenschaft, hatte keinen einzigen Schuss abgegeben und keinerlei Verluste hingenommen. Er war den Amerikanern in einem Hohlweg mit weißer Fahne entgegenmarschiert und fragte auf Englisch: “Mensch! Wo bleibt ihr denn!” Für Paul war der Krieg vorbei, er und seine Jungs kamen in Gefangenschaft, die nur bis zum 8. April andauerte. Sein “Zweitage-Gefangenenlager” war im Forsthaus, wo sich zuerst der Gefechtsstand seiner vorigen Kompanie, dann jedoch ein amerikanischer Kommandoposten befand.

Im gemütlichen Trab führte der Weg rund 4,5 Kilometer mit leichter Steigung bis nach Halscheid, von dort biegen wir rechts ab.

Als die amerikanische Infanterie Oppertzau bereits passiert hatte, kam der Vormarsch gegen Mittag für die Dauer von knapp 2 Stunden zum Erliegen. Die der Kompanie vormarschierende Spitze hatte den Verdacht, dass sich zwischen ihnen und Halscheid ein deutscher Panzer befinden würde. Nach einiger Beobachtung stellte sich heraus, dass sich am Waldrand eine Zeltbahn befindet, die nächsten aktiven Panzer befanden sich bei Forst und hatten einen Gegenangriff auf Bitzen eingeleitet.

Über Oppertzau stieß die amerikanische Infanterie am 6. April 1945 auf Halscheid vor, das am Nachmittag gegen geringen Widerstand eingenommen werden konnte. Zur gleichen Zeit wurde in Bitzen noch immer gekämpft.

Der Höhenweg zwischen Halscheid und Wiedenhof.

Im Bereich dieser Wegekreuzung sollte Paul Dettmer den Amerikaner aufhalten. Er aber verschleierte jedoch seine Absichten zu kapitulieren und erwartete einfach den amerikanischen Großangriff über die Sieg. In seiner Gruppe wurde niemand verletzt oder verwundet.

Bis zum 6. April zeitweise der Gefechtsstand einer deutschen Kompanie, nach dem amerikanischen Großangriff richteten sich dort zwei Tage lang ein amerikanischer Bataillonsstab der 78. US Infantry Division ein.

Ralf Anton Schäfer