Stummer Zeuge eines Gefechts im Mühlenthal
Niederhövels – Öttgesborn: Ende Juni 2013 wurde ich von Dieter B., dem Finder der beiden am 28. Mai 2013 bei Betzdorf entdeckten Stahlhelme, zu einer Suchtour mit einem Metalldetektor eingeladen. Gemeinsam fuhren wir in ein Waldstück zwischen Katzwinkel und Wissen. Dies war einer der Frontbereiche, den die 78th US Infanteriedivision Anfang April 1945 von der 8th US Infanteriedivision übernommen hatte. Von dieser Suche möchte ich hier berichten.
In Öttgesborn kam es 1945 noch zu einem Gefecht zwischen Soldaten der 62. Volksgrenadierdivision und der 8th US Infanteriedivision, im Verlauf des Gefechtes starben 19 Soldaten auf dem kleinen Hof. Dieter erzählte mir, dass er dort bereits vor einiger Zeit einige Kleinteile, darunter einen Orden (ein Infanteriesturmabzeichen) gefunden hatte, weiter erzählte er, dass wohl mittlerweile fast jeder Siegerländer, der einen Metalldetektor besitzt, auch nach Öttgesborn käme, um dort zu suchen.
Bevor es losging schaute ich noch einmal in ein amerikanisches Kriegstagebuch vom 7. April 1945 und entdeckte einen interessanten Querverweis zu dem Gefecht bei Öttgesborn. Danach entschlossen wir uns dem Weg der amerikanischen Kompanie „Love“-Kompanie vom 310th US Infantry Regiment zu folgen. Die Kompanie wurde unter deutsches Feuer genommen und setzte den Funkspruch ab: „…wir erhalten Gewehrfeuer aus der rechten Flanke, ziehen uns zurück und umgehen den Feind…“
Im Kriegstagebuch waren die Ereignisse genau festgehalten worden: eine Handvoll deutscher Soldaten versuchte die amerikanische Kompanie aufzuhalten und wurde kurz darauf im Rücken angegriffen. Gegen Mittag des 7. Aprils 1945 stellten die Deutschen das Feuer ein und begaben sich in amerikanische Gefangenschaft. Auf deutscher Seite wurde ein Mann leicht verwundet, die Amerikaner hatten keine Verluste zu beklagen. Durch das Verhör der Gefangenen erfuhr man , dass die Deutschen dem Grenadierregiment 164 angehörten und Befehl hatten, einen Befehlsstand in Öttgesborn anzugreifen und den Hof zurückzuerobern. Da das Vorhaben durch die amerikanische Überlegenheit unmöglich wurde, hatte der Regimentsführer (Hauptmann Hurst) den Soldaten befohlen, eine Sperrstellung zu beziehen und freigestellt, nach Feindberührung die Gefangenschaft anzutreten. Diesen Ort galt es nun zu finden. Wir verglichen den Gefechtsbericht mit einer Landkarten aus dem Jahr 1945 und folgten dann der Route der „Love“-Kompanie.
Nach etwa zwei Stunden hatten wir noch nichts anderes außer neuzeitlichen Müll gefunden, als Dieter dann plötzlich im Bereich des Brölbachs auf mehrere abgefeuerte amerikanische Patronenhülsen stieß. Diese Hülsen waren der erste Hinweis darauf, dass wir am richtigen Ort angelangt waren. Am gegenüberliegenden Waldrand konnte er dann auch noch weitere Patronenhülsen finden, diesesmal deutsche Hülsen. Mit jedem Ton den der Metalldetektor von sich gab, wuchs meine Hoffnung vielleicht eine verlorene Erkennungsmarke oder sonst etwas zu finden, das unter Umständen zu persönlichen Rückschlüsse auf den oder die Träger führen könnte. Leider brachte die Nachsuche innerhalb der nächsten Zeit lediglich zusätzliche Patronenhülsen beider Seiten zum Vorschein, insgesamt förderten wir über fünfzig deutsche und amerikanische Patronenhülsen ans Tageslicht. Gerade als Dieter die Suche einstellen wollten, ertönte ein weiteres Signal. Ein auf dem Waldboden liegendes, ca. zwei cm großes Metallschildchen, das die Sonnenstrahlen reflektierte, war die Ursache dieses Signals. Nach kurzer Begutachtung erkannte wir, dass es sich um ein Divisionsabzeichen der 78th US Infantry Division handelte.
Die weiterer Nachsuche blieb leider ohne Erfolg und wir stellten die Suche ein. Bei der gefundenen Plakette handelt es sich um das Wappen des 309th US Infantry Regiment. Vielleicht gab es Jemanden in der „Love“-Kompanie, der zuvor im Schwesterregiment gedient hatte und dann in das 310. Regiment versetzt wurde und während des Gefechtes dieses Regimentswappen verlor. Dieses Wappen ist ein stummer Zeuge des Gefechtes am Brölbach. Übrigens hat Dieter mir die beiden bei Betzdorf gefundenen Stahlhelme und das Regimentswappen geschenkt, worüber ich äußerst dankbar bin.
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