Exkursion 6 – Endkämpfe im Wildenburger Land

Am 2. Mai 2015 war es wieder so weit. Unsere sechste Exkursion führte dieses Mal ins Wildenburger Land nach Friesenhagen, wo es im April 1945 zu einigen zum Teil heftigen Gefechten zwischen deutschen und amerikanischen Soldaten gekommen war. Nachdem die Front anschließend über Bahnhof Wildenburg rollte, waren dies die letzten Kämpfe, die sich auf dem Boden des Kreises Altenkirchen ereigneten.

Das Interesse an der Exkursion war größer als erwartet. Obgleich bei der Kreis-Volkshochschule in Altenkirchen vierzehn Anmeldungen eingegangen waren, hatten drei Teilnehmer im Vorfeld abgesagt und ein weiterer erschien leider nicht. Dennoch war diese Runde siebzehn Mann stark, sieben Interessenten waren ohne Anmeldung “einfach so” erschienen, sie hatten von Freunden und Bekannten davon gehört und wollten gerne an der Exkursion teilnehmen. Mittlerweile habe ich auch meine eigene kleine “Fangemeinde”, denn unter den Teilnehmern fanden sich einige Stammgäste, die mich bereits häufiger begleitet hatten. Besonders spannend sollten sich noch Aussagen über einem gefallenen Hauptmann durch Familie Schack aus Friesenhagen entwickeln, hierzu komme ich aber noch später. Speziellen Dank möchte ich auch an Herrn Hermann-Josef Schuh aus Morsbach richten. Er hat als Buchautor und Kenner der Friesenhagener Ortsgeschichte die Runde begleitet und konnte einige interessante Informationen zur Geschichte beisteuern. Am Ende der Runde erklärte Hermann-Josef Schuh: “Ihre Ausführungen über den Durchzug der Amerikaner im April 1945 haben einige neue Erkenntnisse gebracht.”

Zudem bestätigten Schuh und weitere Zeitzeugen die dramatischen Ereignisse aus den Apriltagen des Schicksalsjahrs 1945. Herrn Schuh ist auch die Fotografie von der Kriegsgräberstätte Crottorf zu danken, die diesen Beitrag beigefügt ist.

Nachdem ich mich vorgestellt hatte und erklärte, wie und warum  Friesenhagen zum direkten Frontgebiet wurde, ließ ich unter den Teilnehmern der Exkursion einen alten, verrosteten Stahlhelm herumreichen. Das besondere an dem Helm war der Umstand, dass es sich um einen Helm in Kindergröße handelte. Der Stahlhelm wurde bereits vor vielen Jahren im damaligen Frontverlauf südlich Friesenhagens gefunden, er fand sich laut dem Finder in einer der damals noch zahlreich auffindbaren Schützenmulden. Schützenmulden sind Stellungslöcher, in denen sich die Soldaten vor Granatsplitter und Beschuss sicher wägen und aus denen sie den Kampf führen sollten. In wenigstens einer dieser Schützenmulden südlich Friesenhagens hatte im April 1945 also auch eines der Kinder gesessen, die durch das Nazi-Regime noch in buchstäblich letzter Minute in den Volkssturm befohlen wurden.

Dieser Stahlhelm vom Typ M42, in Kindergröße, wurde vor Jahren in einer Schützenmulde bei Friesenhagen gefunden. Er ist ein Zeugnis der Kämpfe bei Friesenhagen.

Dieser Stahlhelm vom Typ M42, in Kindergröße, wurde bereits vor Jahren in einer Schützenmulde bei Friesenhagen gefunden. Er ist ein Zeugnis der Kämpfe im April 1945 bei Friesenhagen und wurde dem Autor dieser Seiten vom Finder geschenkt.

Unsere Runde sollte während dieser Exkursion zu Teilen den Wegen einer amerikanischen Kompanie folgen, die sich nach de Eroberung Friesenhagens noch in Gefechte im Bereich des ehem. Tierparks verwickeln sollte. Der Weg führte uns von der amerikanischen Ausgangsstellung zur Bereitstellung und zum Sammelplatz der Kompanie. Gleich zu Beginn jedoch machten wir einen Abstecher auf die Höhe bei der Sankt Anna Kapelle, von wo man die Ausgangslage und den amerikanischen Vormarsch deutlich schildern und nachvollziehen konnte.

2015

Angelangt im Wald gegenüber Wiesental. In diesem Bereich lokalisierten die Soldaten des 310. US Infanterieregiments eine deutsche Granatwerfer-Einheit, die in der Nähe von Wiesental in Stellung gegangen waren. Foto: Hermann-Josef Schuh.

Die Ausgangslage und der amerikanische Vormarsch

Am 8. April 1945 konnte die 78. US Infanteriedivision ihre Angriffe nördlich der Sieg ausweiten und erreichte etwa gegen 16.00 Uhr die Linie östlich Waldbröl – südl. Friesenhagen – Südrand Freudenberg – Klafeld. Die amerikanischen Vorstöße in Richtung Friesenhagen wurden von Obersolbach und aus Richtung Freudenberg-Mausbach vorgetragen, wo zwei amerikanische Kompanien westlich Mausbach untereinander Kontakt herstellen konnten und dadurch die Linie schlossen. Der Kontakt zwischen den amerikanischen Kompanien wurde durch Patrouillen aufrechterhalten und mehrere Straßensperren eingerichtet. Ab 18.02 Uhr wurde eine weitere Kompanie von Richtung Freudenberg her gegen Hohenhain angesetzt, um von hieraus die Straßenverbindungen zu sichern. Hierdurch wurden sich zurückziehenden deutsche Truppen (Teile der 59. Infanteriedivision) in Richtung Friesenhagen und Bahnhof Wildenburg abgedrängt, hinzu kamen Soldaten der 62. Volksgrenadier Division, die sich aus Richtung Morsbach-Steeg zurückzogen.

Etwa um 18.30 Uhr meldete eine US-Kompanie, dass sie mit einer Patrouille in Mühlenseifen eingedrungen sei und das sich eine weitere Patrouille südlich Gerndorf in Beobachtungsstellung befinde. Der darauf einsetzende Angriff gegen Hohenhain dauerte bis um 19.17 Uhr, dass ohne auf größeren Widerstand zu stoßen, erobert werden konnte. Nach 20.00 Uhr richteten sich die rings um Friesenhagen heranmarschierten Kompanien zur Verteidigung ein und eine weitere Kompanie wurde als Eingreifreserve nachgeführt, weil besonders während der Abendstunden verstärkt Motorengeräusche, darunter auch Panzermotoren, zu hören waren. Um vor eventuellen Panzerangriffen gewappnet zu sein, wurde in der Nähe von Niedersolbach ein Minenfeld¹ angelegt und der Kreuzungsbereich um Obersolbach mit einer 57mm PaK (Panzerabwehrkanone) gesichert.

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Kartenskizze aus der Geschichte des 310. US Infanterieregiments.

Die deutsche Lage

Angesichts dieser Lage konnte sich die Wehrmacht nur auf eine Stützpunktverteidigung konzentrieren, die mit Artillerie den infanteristischen Kampf in den vorderen Linien unterstützen würde. Die verfügbaren deutschen Kräfte setzten sich zusammen aus Angehörigen der 62. Volksgrenadier- und 59. Infanteriedivision, hinzu kamen noch schwache Volkssturmeinheiten, die völlig unausgebildet waren und meist nur durch eine harte Führung in die Kämpfe gepresst wurden. Die Reste der beiden Divisionen waren extrem geschwächt und hatten wochenlang ohne Unterbrechung an den Kämpfen um die Siegfront teilgenommen, von wo sie sich unter dem amerikanischen Druck seit dem 6. April 1945 kämpfend zurückzogen. Bis zum Abend des 8. Aprils 1945 gingen die deutschen Verbände etwa bis zur Linie Hammerhöhe – Friesenhagen – Hatzfeldscher Wildpark – Schloss Crottorf zurück. Deutsche Artillerie stand bei Weidenbruch, Schlade und in der Nähe von Bahnhof Wildenburg, jeweils ein Granatwerfer befanden sich bei Wiesental und Ziegenschlade. Letzte deutsche Sicherungen zogen sich unter amerikanischem Gewehrfeuer aus Staade und Mühlenseifen zurück, in der Nähe von Gerndorf kam es immer wieder zur Schießereien, die bis zum nächsten Morgen immer wieder aufflammten. Während der Kämpfe um die Linie Gerndorf-Mausbach starb der Hauptmann Norbert Hammermann, gemeinsam mit ihm fielen zwei weitere Soldaten.

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Die Tagesmeldung der Heeresgruppe B spricht von harten Kämpfen. Bild: National Archives, Washington, USA.

Der Angriff beginnt

Am Morgen des 9. April 1945 nahm das 310. US Infanterieregiment um 6 Uhr den Angriff auf und griff Friesenhagen an, wo sich im Ort nach Überschreiten des Bauchlaufes  ein Gefecht entwickelte, dass verbissen geführt wurde. Unter dem Einsatz von Handgranaten stürmten die amerikanischen Soldaten in einige der verteidigten Häuser, die zum Teil von den deutschen Soldaten im Gegenstoß wieder eingenommen wurden. Ein deutsches MG, das im Bereich oberhalb der St. Sebastianus-Kirche in Stellung war, machte die Amerikanern, wie es mir einst der amerikanische Veteran Bill Barnes sagte “das Leben schwer und das Sterben leicht!”

Der deutsche Widerstand erlosch erst um 12.08 Uhr und der Angriff konnte in Richtung Crottorf ausgeweitet werden, wo es zu letzten Gefechten zwischen Crottorf und Weierseifen kam. Im Tagesverlauf starben 13 deutsche Soldaten in der näheren Umgebung, nach den Kampfhandlungen wurden 20 Gefallene auf dem Ehrenfriedhof zu Crottorf zur letzten Ruhe gebettet. Die Verluste des 310. US Infanterieregiment betrugen 23 Gefallene.



Angelangt an der Kriegsgräberstätte am Schnabelberg finden wir Zeit um ausführlich über die Schicksale der Gefallenen zu berichten.

Angelangt an der Kriegsgräberstätte am Schnabelberg finden wir Zeit um ausführlich über die Schicksale der Gefallenen zu berichten. Foto: Heinz-Werner Sondermann.

Soldatenfriedhof

Der Ehrenfriedhof, wie er ursprünglich einmal aussah. Im Bild vorne Links das Kreuz für die beiden Gefallenen Bach und Kolzk, die in Bettorf gefallen sind. Rechts das Grab für den in Grendel gefallenen Oberfeldwebel Walter. Foto: Hermann-Josef Schuh.

 


1: Das Minenfeld bestand aus diversen Panzerabwehr- und Anti-Personenminen. Noch im Sommer 1948 wurde das Sprengkommando Forneberg aus Betzdorf heranbefohlen, um in der Gegend aufgefundene Minen unschädlich zu machen. Ob es sich hierbei um Hinterlassenschaften dieses Minenfeldes handelt ist allerdings unklar.


Quellen

  1. After Action Reports, 310th US Infantry Regiment, National Archives, Washington, USA
  2. G2-Unit Journal, 310th US Infantry Regiment, National Archives, Washington, USA
  3. Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung, erbeutetes Schriftgut, National Archives, Washington, USA

Ralf Anton Schäfer

3 thoughts on “Exkursion 6 – Endkämpfe im Wildenburger Land

  1. Volker Steiger says:

    Mein Papa ist in Staade aufgewachsen, Jahrgang ’38. Leider ist er bereits 2007 gestorben und hat aus seiner Kindheit und den anrückenden Amerikanern nichts erzählt. Gibt es hier evtl. noch irgendwelche weiteren Informationen?

    Grüße aus Bayern.
    Volker Steiger
    (ein Friesenhagener Jung’)

    • Ralf Anton Schäfer says:

      Hallo Herr Steiger,

      Staade war wenigstens 2 Tage lang Quartier für Teile eines Bataillons, welches der 62. Volksgrenadier Division angehörte. Unter Umständen könnte es sich um das I./GR 183 gehandelt haben. Als Amerikanische Kräfte gegen Staade vorgingen, kam es zu einer Schießerei infolge dessen sich letzte deutsche Soldaten unter amerikanischen Beschuss über Krottorf nach Norden absetzten.
      Im Sommer 1947 war das Sprengkommando Forneberg in Staade und Bettdorf im Einsatz um neben zahlreichen Waffen und Munitionsteilen auch Minen und Panzerfäuste zu bergen. In Staade wurden dabei mehrere russische Panzerabwehrminen vom Typ TM-35 sowie 8 Stück 60mm französische Wurfgranten sichergestellt. Ich habe irgendwo eine Fotografie der Munition, werde diese bei Gelegenheit heraussuchen und diesem Beitrag anfügen.
      In einem Kriegstagebuch der 78. US ID werden zwei Artilleriegeschütze in der Nähe von Staade als Beutegut angegeben.
      Grüße nach Bayern

      Ralf Anton Schäfer

  2. Volker Steiger says:

    Hallo Herr Schäfer,
    vielen Dank für diese Informationen. Leider hat meine Verwandtschaft nie groß vom Krieg berichtet. Und da Staade der Stammsitz meiner Familie ist, ist das umso interessanter, hier etwas Geschichte zu erfahren.
    Grüße
    Volker Steiger
    ältester Sohn von Hermann-Josef Steiger

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